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Der gelbe Handschuh

Der gelbe Handschuh

Titel: Der gelbe Handschuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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unserer Schule einen gewissen Otto Kalinke. Seinem Vater gehört in Berlin eine Schokoladenfabrik, und er kann das Geld ausgeben, als käme es übermorgen aus der Mode. Dieser Otto Kalinke ist mißtrauisch wie ein Tintenfisch. Er behauptet, daß es an der ganzen Schule keinen Jungen gibt, der nicht sein Freund sein möchte. Daß ihn alle in Wirklichkeit aber nur wie eine Zitrone auspressen wollen.“
    „Mir kommen gleich die Tränen“, rief Ronny. „Dieser Otto Kalinke ist übrigens eine ziemlich trübe Tasse“, bemerkte Peter noch.
    „Was wir von dir nicht behaupten möchten“, grinste Ulli.
    „Danke für die Blumen“, gab der Bürstenhaarschnitt zurück.
    „Bloß diese Nähmaschinen stören uns ein bißchen“, sagte jetzt Peter. „Wir meinen die Nähmaschinenfabriken deiner Tante.“
    „Es wird immer Leute geben, die mehr, und welche, die weniger Geld haben“, bemerkte Fuller junior. „Und man kann sich seine Eltern ja nicht aussuchen.“
    Die Delphine schossen weiter in die Luft. Sie benahmen sich wie kleine Kinder, die erreichen wollen, daß man auf sie aufmerksam wird. Ein Flugzeug zog einen schrägen Strich über den wolkenlosen Himmel.
    „Man macht sich halt so seine Gedanken“, sagte Ulli nach einer Weile. „Aber was soll’s, in zwei Wochen bist du wieder in New York, und wir flattern nach Berlin zurück. Dann ist sowieso alles vorbei! Reden wir also nicht mehr darüber.“
    „Was gestern und heute war, muß der Vergangenheitsform zugerechnet werden“, stellte der Schüler Finkbeiner fest. „Das sagt wenigstens unser Grammatiklehrer, Studienrat Lebsanft.“
    Die Passagiere hatten sich inzwischen wieder in ihre Liegestühle gelegt, und die Deckstewards hetzten weiter mit blinkenden Tabletts und frischgebügelten Servietten zwischen ihnen und der Bar hin und her.
    Der Topf beim Bingo war bis auf hundertzwanzig Dollar geklettert, und Juwelier Schmidt aus Düsseldorf hielt bisher den dritten Platz beim Tontaubenschießen. Herr Wagner lag dicht hinter ihm auf Nummer fünf, und Apotheker Finkbeiner belegte vorerst noch Platz zehn.
    Jetzt kam ein jüngerer Mann mit schwarzen Haaren und einer dunklen Sonnenbrille an die Reihe. Schon an der Art, wie er das Gewehr in seinen Händen wog, konnte man sehen, daß er kein Anfänger war. Und als jetzt die Scheibe in den Himmel geschossen wurde, knallte sie auch schon auseinander, bevor sie richtig aufgestiegen war.
    „Treffer“, konstatierte der Decksteward, der fürs Tontaubenschießen zuständig war.
    „Alle Achtung“, bemerkte Herr Wagner.
    „Ich zittere um meinen zehnten Platz“, sagte Herr Finkbeiner und lächelte dabei.
    Der junge Mann hatte den Gewehrkolben zwischen Kiefer und Brustbein so fest eingeklemmt wie in einen Schraubstock. Und jedesmal wenn er abdrückte, knallten die Scherben und fielen ins Meer.
    „Ihr letzter Schuß, mein Herr“, stellte der Decksteward fest. „Darf ich um Ihren Namen bitten?“
    Aber jetzt gab der junge Mann mit der dunklen Sonnenbrille das Gewehr zurück. „Besten Dank, aber es wäre nicht fair, wenn ich mich an Ihrem Wettbewerb beteilige.“ Er lächelte ein wenig und verschwand.
    Auch Mister Palmer lächelte. Er hatte die Szene von seinem Liegestuhl aus beobachtet. Jetzt nahm er einen Zug aus seiner Pfeife und vertiefte sich wieder in die Schiffszeitung, die für den Abend eine Weihnachtsfeier ankündigte.
    Der Museumsdirektor aus Paris bummelte mittlerweile in seinem eleganten dunkelblauen Bademantel zum Swimmingpool. Dabei stellte er mit Verwunderung fest, daß ihm mehrere Passagiere freundlich zulächelten. Manche grüßten ihn sogar und sagten: „Guten Tag, Monsieur Prunelle“, oder sie fragten: „Wie geht’s, Monsieur Prunelle?“
    Der Museumsdirektor grüßte jedesmal erstaunt und mit einem freundlichen Kopfnicken zurück.
    „Da sehen Sie selbst, alles klappt ganz ausgezeichnet“, flüsterte Mrs. Fuller, die ihren Rollstuhl inzwischen wieder neben Mister Wilkinson geparkt hatte. „Ich möchte behaupten, das ganze Schiff ist schon Feuer und Flamme.“
    „Malen Sie den Teufel nicht an die Wand“, kicherte der Streichholzfabrikant. „Feuer kann auf so einem Schiff ganz schnell ins Auge gehen.“
    Schon eine halbe Stunde später rief der Gong auf allen Decks zum Mittagessen in den Speisesaal.
    Die Passagiere wanderten in ihre Kabinen und bevölkerten dabei wieder einmal alle Korridore, Treppen und Lifts.
    Die acht oder neun Delphine, die immer noch das Schiff begleiteten, schienen zu

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