Der gelbe Handschuh
interessiere.“ Der Streichholzfabrikant schlug die Beine übereinander. „Und dann ist die englische Königinmutter Mary auf der Mauritius auch nicht gerade der erfreulichste Anblick. Dabei soll das Porträt noch sehr schmeichelhaft ausgefallen sein.“
Die Passagiere schmunzelten.
„Gibt es ein Porträt, das Ihnen besser gefällt?“ fragte jetzt Mrs. Fuller.
„Ich kann mir denken, was Sie hören wollen, und ich möchte Sie nicht enttäuschen“, erwiderte Mister Wilkinson honigsüß und lächelte dabei. „Die Mona Lisa zum Beispiel gefallt mir bedeutend besser.“ Er lehnte sich in seinen Sessel zurück und blickte sich um.
Mister Palmer sah aus, als wollte er gleich Gift und Galle spucken. Er merkte gar nicht, daß in diesem Augenblick wieder ein erster Sonnenstrahl über seine Hosenbeine wanderte.
„Und auch nur zum Beispiel“, fragte Mrs. Fuller weiter. „Was würde Ihnen dieses Gemälde wohl wert sein?“
„Eine ganze Menge“, erwiderte der Streichholzfabrikant und lächelte. „Sie wissen, daß Bilder mein Hobby sind. Es gibt Städte, von denen ich nur die Galerien und Museen kenne.“ Er strich sich mit den Fingerspitzen über seinen englischen Bart. „Aber leider gehört die Mona Lisa nun wirklich zu den Dingen, die man nicht kaufen kann.“ Er nahm einen Schluck aus seinem Glas mit Orangensaft. „Jetzt schon gar nicht mehr.“ Kaum hatte er das gesagt, lachte er schallend los.
Und ein Teil der Passagiere lachte mit.
„Das ist eine bodenlose Frechheit“, zischte Mister Palmer.
„Er flutscht einem durch die Finger wie ein Stück nasse Seife“, knurrte Mrs. Fuller.
Plötzlich brach das Gelächter wieder ab. Monsieur Prunelle war nämlich aufgestanden und stolzierte ganz blaß und steif wie ein Storch zum Ausgang.
„So war es doch nicht gemeint“, rief Mister Wilkinson hinter ihm her.
Glücklicherweise kam in diesem Augenblick ein Decksteward in den Saal und gab bekannt, daß der Regen aufgehört hatte. „Wir stellen bereits die Liegestühle auf“, verkündete er.
Kaum eine Viertelstunde später lagen die Passagiere mit Badehosen in der Sonne.
Keine einzige Wolke war zurückgeblieben, und der Himmel war wieder so blau wie gestern und vorgestern.
„Ja, so ist das in diesen Breiten“, meinten die Deckstewards, die jetzt wieder mit glitzernden Tabletts und blütenweißen Servietten zwischen den Liegestühlen hin und her flitzten.
Auch der flachsblonde Page Axel Kannengießer flitzte in seiner roten Uniformjacke durch die Gegend. Er hatte gerade in einer Kabine des Hauptdecks Tabletten gegen Zahnschmerzen abgeliefert. Jetzt fuhr er zum Sonnendeck, wo ein Passagier Geburtstag haben mußte. Jedenfalls war er schon zum viertenmal unterwegs und hatte gerade in der Funkstation sieben neue Telegramme für ihn in Empfang genommen. Aber die würde er nicht alle auf einmal abliefern, sondern jeweils einzeln und in Abständen von fünf oder zehn Minuten, weil dabei jedesmal ein gutes Trinkgeld abfiel.
Der Page Axel Kannengießer klopfte an die Kabinentür:
„Schon wieder ein Telegramm, mein Herr.“
„Sehr freundlich, mein Sohn“, sagte das Geburtstagskind. „Rührend, wer heute alles an mich denkt.“
„Das muß ein schönes Gefühl sein“, bemerkte der Page mit der Stubsnase. „Auch meine Glückwünsche und besten Dank.“
Als er anschließend über den Korridor zurücklief, sprach er wieder einmal mit sich selbst. „Geburtstage machen die Menschen großzügig“, murmelte er. „Schade, daß Passagiere nur einmal geboren werden.“ Und dann sagte er laut: „Guten Morgen, Inspektor.“ Mister Brown kam nämlich gerade aus der Kabine von Mrs. Fuller. Er drehte sich um, zögerte einen kurzen Augenblick und nickte dann dem Pagen zu. Beinahe gleichzeitig verabschiedete er sich durch die halboffene Kabinentür und sagte: „Ich bitte noch einmal um Entschuldigung, Mrs. Fuller, und ich werde Mister Palmer sofort Bescheid sagen.“
Danach schloß der Inspektor die Tür hinter sich und begegnete dem Jungen mit den flachsblonden Haaren etwa nach fünf oder sechs Schritten.
„Immer munter auf den Beinen?“ Er lachte im Vorbeigehen.
„Man tut, was man kann“, gab der Page Axel Kannengießer zurück und trabte zum Lift.
Unter den Passagieren, die rund um das offene Schwimmbad in der Sonne lagen, entdeckte er die beiden Familien aus Berlin und Mrs. Fuller in ihrem Rollstuhl.
Er grüßte zu ihnen hinüber, und dann kletterte er zum Oberdeck hinunter, weil er die
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