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Der gelbe Handschuh

Der gelbe Handschuh

Titel: Der gelbe Handschuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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der grellen Sonne und der flimmernden Luft an Deck wirkte es hier drinnen dunkel und kühl. Durch die halboffene Tür hatte man einen Blick auf die Gruppe der Passagiere beim Tontaubenschießen.
    Nachdem die vier Jungen berichtet hatten, was zu berichten war, gab drüben Inspektor Brown dem allgemeinen Drängen nach. Er ließ sich vom Decksteward das Gewehr geben und klemmte es zwischen Kiefer und Brustbein. Als es gleich darauf knallte, flogen auch schon die Splitter der ersten Scheibe durch die Luft und ins Wasser.
    „So wie er das Gewehr hält, ist er jedenfalls nie bei Scotland Yard ausgebildet worden“, zischte Mister Palmer verächtlich. „Er schießt wie auf dem Rummelplatz.“
    „Aber er ist doch Inspektor, und sein Name stimmt auch?“ fragte der Erste Offizier. „Haben Sie sich seine Papiere zeigen lassen?“
    „Er war ja aus London telegrafisch angemeldet“, entgegnete Mister Palmer, und dann fügte er hinzu: „Ich bin ein komplettes Rhinozeros und habe mich täuschen lassen wie ein Anfänger.“
    „Was Sie da gerade gesagt haben, ehrt Sie sehr“, bemerkte Ulli Wagner. „Es ist ziemlich selten, daß Erwachsene ihre Fehler zugeben.“
    „Jedenfalls sind wir euch allen sehr dankbar“, erwiderte Mister Palmer. „Ihr habt uns die Augen geöffnet und zum Glück gerade noch kurz vor zwölf.“
    „Ja, ein paar Stunden später, und es wäre zu spät gewesen“, bemerkte der Erste Offizier und schüttelte den Kopf. „Ich kann es noch gar nicht fassen.“
    „Werden Sie ihn jetzt verhaften?“ fragte der Page Axel Kannengießer neugierig.
    „Das kann ich gar nicht“, erwiderte Mister Palmer. „Ich bin ja nur von meiner Versicherung beauftragt und habe überhaupt keine Polizeivollmacht.“
    „Aber der Kapitän könnte ihn doch in Ketten legen“, schlug der Page Axel Kannengießer vor.
    „Ja, das könnte er“, entgegnete der Erste Offizier. „Eine andere Frage ist, ob es klug wäre.“
    „Bah“, sagte Mister Palmer. „Es wäre eine Riesendummheit. Wenn wir ihn nicht merken lassen, daß er uns verdächtig ist und wenn wir ihn auf Schritt und Tritt beschatten, kriegen wir vielleicht heraus, ob er tatsächlich nur die Perlenkette wollte, oder ob er auch hinter der Mona Lisa her ist.“ Mister Palmer blickte zusammen mit den anderen zu Mister Brown hinüber, der gerade wieder eine Tonscheibe abknallte.
    „Und falls er Komplizen an Bord hat, zeigt er sie uns“, fuhr Mister Palmer fort. „Irgendwann muß er sie treffen. Wir dürfen ihn nur nicht aus den Augen lassen.“
    „Bedeutet das“, fragte der Bürstenhaarschnitt, „daß wir Ihnen beim Beobachten helfen sollen?“
    „Darum wollte ich gebeten haben“, erwiderte Mister Palmer. „So allein wie ich jetzt bin.“
    „Verfügen Sie über uns“, sagte Ulli Wagner und breitete dabei die Arme aus.
    „Ich werde auf euer Angebot ganz bestimmt zurückkommen“, meinte Mister Palmer.
    „Wollen Sie nicht wenigstens seine Kabine durchsuchen?“ fragte der Page Axel Kannengießer besorgt.
    „Meinst du, er hat die Kette einfach über einen Kleiderhaken gehängt?“ fragte Mister Palmer zurück.
    Drüben beim Tontaubenschießen hatte Inspektor Brown inzwischen schon die siebte Scheibe getroffen. Jetzt wurde bereits die achte in die Luft geschleudert, und er verfolgte sie mit seinem Gewehrlauf.
    Dabei fiel die Sonne voll auf die linke Hälfte seines Gesichts und dann auf eine Narbe, die vom Ohr bis zum Hemdkragen ging. Das pechschwarze Haar, das sie sonst zudeckte, war durch die schnelle Bewegung für einen kurzen Augenblick zurückgefallen.
    Nur Peter Finkbeiner hatte die Narbe entdeckt. Und diese Entdeckung traf ihn wie ein elektrischer Schlag.
    Beinahe gleichzeitig fiel ihm jetzt ein großer knallroter Omnibus ein und ein zitronengelbes New Yorker Taxi. Als er gerade überlegen wollte, wie Inspektor Brown wohl ohne seine dunkle Sonnenbrille und mit einem Bart auf der Oberlippe aussah, sagte Mister Palmer: „Und jetzt laßt mich bitte allein, ich weiß ja, wo ich euch finde.“ Er stellte sich an die Reling und paffte an seiner Pfeife. „Ich muß dringend eine Weile nachdenken.“
    „Viel Erfolg dabei!“ wünschte der Erste Offizier, bevor er sich in Bewegung setzte.
    Axel Kannengießer lief wegen der blau gefärbten Perücke zuerst zur Kabine 83. Anschließend angelte er das nächste Telegramm aus seiner roten Jacke mit den goldenen Messingknöpfen und kassierte bei dem Geburtstagspassagier im Sonnendeck sein fünftes Trinkgeld.
    Die zwei

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