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Der gelbe Handschuh

Der gelbe Handschuh

Titel: Der gelbe Handschuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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den Badehosen zusammen mit dem flachsblonden Pagen aus dem Speisesaal rund um die Ladeluke herum einen waschechten Kriegstanz. Und die Erwachsenen staunten überwältigt und strahlten wie Schneekönige.
    Es hatte damit angefangen, daß Herr Latenser ganz atemlos in seinem nassen Anzug über die Gangway an Deck gelaufen kam. „Ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig“, keuchte er. „Ich bin Privatdetektiv. Und im Gegensatz zu einem gewissen Inspektor Brown kann ich mich ausweisen.“
    „Falls das überhaupt stimmt, was Sie sagen“, erwiderte Mister Palmer verdutzt. „Sind Sie auf eigene Faust an Bord, oder haben Sie irgendeinen Auftrag übernommen?“ Er räusperte sich. „Für eine entsprechende Vergütung, wie ich annehme?“
    „Im vorliegenden Fall haben wir beide denselben Auftraggeber“, sagte Herr Latenser.
    „Wollen Sie damit behaupten, daß meine Versicherung...?“ Mister Palmer war wie vor den Kopf geschlagen.
    „Ich wußte Bescheid“, bemerkte Kapitän Stahlhut. „Und wenn ich den enormen Wert der Mona Lisa bedenke, kann ich die Herren Ihrer Gesellschaft sogar gut verstehen.“
    „Nach dem schönen Motto, daß besser hält, was doppelt genäht ist“, erklärte Herr Latenser. „Entschuldigung“, sagte er noch, und dann kletterte er auch schon zu der großen Holzkiste mit den Schlangen, die jetzt wieder auf ihrem alten Platz im Laderaum stand. Er interessierte sich vor allem für den unteren Teil des Käfigs, klopfte ihn ab und horchte an ihm herum wie ein Arzt, der einen Patienten untersucht. Die Schlangen wurden dabei unruhig, und die ganze Kiste bewegte sich gelegentlich, als würde sie spuken.
    „Mit einem Stemmeisen kämen wir der Sache jetzt ziemlich nahe“, meinte Herr Latenser schließlich.
    Und kurz darauf war es dann soweit.
    Im Boden der Käfigkiste war ein Hohlraum, und in ihm lag die echte Mona Lisa, sorgfältig verpackt in einer großen und ziemlich genau passenden Schublade.

Die Detektive tauschen zwei Minuten gegen eine Geschichte

    Ausgerechnet Monsieur Prunelle verschlief diesen Augenblick beinahe.
    Alle anderen liefen zusammen, als hätte das Schiffstyphon mehrfach zweimal kurz hintereinander getutet, was immerhin das Signal für Feueralarm ist. Matrosen, Stewards, Offiziere, das Ehepaar Finkbeiner und Herr Wagner.
    Sogar Mrs. Fuller stand in ihrem Rollstuhl da und auch Chang Lie, noch halbnaß und schon wieder halb trocken.
    „Jetzt fehlt eigentlich nur noch die Hauptperson“, sagte Kapitän Stahlhut, nachdem er sich umgeblickt hatte.
    „Schon gebongt“, rief der Page Kannengießer und flitzte los.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis er mit dem Museumsdirektor aus Paris zurückkam. Monsieur Prunelle hatte nämlich auf den Landausflug gepfiffen und sich gleich nach dem Frühstück mit zwei Schlaftabletten wieder ins Bett gelegt, weil er einfach nicht dran denken wollte, was ihm morgen bei der Ankunft in Puerto Rico bevorstand.
    „Na, was sagen Sie dazu?“ Kapitän Stahlhut lachte ihm entgegen. „Eigentlich müssen Sie jetzt der glücklichste Mensch auf der Welt sein.“
    Aber seitdem der Page Axel Kannengießer an seine Kabine geklopft und ihm gesagt hatte, daß die echte Mona Lisa gefunden sei, hörte Monsieur Prunelle nichts mehr, und er machte den Eindruck, als würde er im Augenblick auch kaum noch etwas sehen.
    Trotzdem kletterte er so sicher wie ein Mondsüchtiger in seinem tintenblauen Morgenrock in die Ladeluke hinunter.
    Mister Palmer und Mister Latenser wollten ihm behilflich sein, aber er ging an ihnen vorbei, als wären sie Luft.
    Als er vor dem Gemälde stand, beugte er sich zuerst über die linke untere Ecke, danach kontrollierte er eine ganz bestimmte Stelle des Rahmens, und dann war er mit seiner Nase und den Augen ganz dicht über den Händen der Mona Lisa, schließlich über ihrem Haar.
    „Und?“ fragte Mister Palmer endlich.
    „Ja, sie ist es“, antwortete Monsieur Prunelle leise. Er drehte sich jetzt um und blickte zu den Gesichtern hinauf, die ihn beobachtet hatten. „Sie ist es wirklich, daran gibt es keinen Zweifel.“ Er stapfte steif wie ein Storch wieder zur Leiter und kletterte zum Deck zurück. Als er gerade die letzte Sprosse erreicht hatte, blieb er stehen. „Ein Wunder“, sagte er. „Ein regelrechtes Wunder.“ Und dann hatte er wieder einmal Tränen in den Augen.
    „Ist ja schon gut“, meinte Kapitän Stahlhut.
    In diesem Augenblick federte Mister Palmer plötzlich herum, als sei ein Schuß auf ihn abgefeuert worden. „Wer

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