Der gelbe Handschuh
erwiderte der Seehund. „Bei solchen Berufen kann man sich eben so etwas Auffälliges nicht leisten. Übrigens soll diese Narbe von einem Banküberfall stammen, der dann allerdings in die Hose ging. Angeblich der Streifschuß eines Polizisten, aber Mario quasselt viel, wenn der Tag lang ist.“
„Sein Vorname ist also Mario?“ fragte der Apotheker Finkbeiner so nebensächlich als möglich.
„Und Harris ist sein Familienname“, antwortete Mister Hobbs. „Damit verrate ich nur ein Geheimnis, das bestimmt schon jetzt keines mehr ist, denn Mister Palmer hat sich inzwischen nicht aufs Ohr gelegt, und wenn er Glück gehabt hat, weiß er auch schon, daß der junge Mann bei der New Yorker Polizei bekannt ist wie ein bunter Hund. Naja, kann mir schnurzpiepegal sein.“ Er nahm einen Schluck aus der Weinflasche. „Aber er hat Ihre Perlenkette geklaut, Mrs. Fuller, und ist dabei gesehen worden. Und sehen Sie, das ist mir nicht egal. Als Inspektor Brown sollte er das Ding nämlich so schaukeln, daß Palmer heute beim Landgang an der Gangway bleibt und die Passagiere beobachtet, während er oben an der Ladeluke steht und dafür sorgt, daß die Schlangenkiste möglichst schnell von Bord gehievt wird. Aber nachdem Palmer gewußt hat, daß sein angeblicher Kollege gar nicht echt ist, hat er ihn natürlich nicht mehr aus den Augen gelassen, und der Plan hat nicht mehr funktioniert. Was mich einen schönen runden Scheck gekostet hat. Und deshalb kann mir dieser Knabe Harris gestohlen bleiben.“ Apotheker Finkbeiner blies einen Rauchkringel gegen die Luft und durchstieß ihn mit dem Finger. „Wäre es allzu neugierig, wenn ich frage, wer diesen Scheck in Aussicht gestellt hat?“
„Mister Wilkinson“, sagte der Seehund, als sei das die selbstverständlichste Sache auf der ganzen Welt.
„Also doch“, entfuhr es Mrs. Fuller, und Ulli Wagner pfiff durch die Zähne.
„Dieser Streichholzfabrikant ist ganz verrückt nach dem Gemälde. Er hätte jeden Preis dafür bezahlt, und er hatte mir goldene Berge versprochen für den Fall, daß alles gutgeht. Er wollte die Mona Lisa besitzen, für sich ganz allein. Das ist bei ihm wie eine Krankheit, gegen die es keine Tabletten gibt.“ Mister Hobbs schlug seine kurzen Beine übereinander. „Aber jetzt, wo alles in die Binsen gegangen ist, bin ich Luft für ihn. Er wird mich überhaupt nicht mehr kennen, und den Scheck kann ich in den Kamin schreiben. Weshalb um alles in der Welt soll ich also seinen Namen nicht sagen? Passieren tut ihm sowieso nichts.“
„Die Versicherung wird ihn anzeigen“, warf Mrs. Fuller ein, „und vor ein Gericht stellen.“
„Dieser Mister Wilkinson ist ein schlauer alter Fuchs“, meinte Mister Hobbs. „Er hat bestimmt alles so eingefädelt, daß man ihm nichts nachweisen kann.“
„Wenn Sie bei der Polizei aussagen, was Sie uns gerade erzählt haben“, sagte der Bürstenhaarschnitt, „dann wäre er doch schon geliefert.“
„Ach was, er würde Stein und Bein schwören, daß alles nicht wahr ist“, erwiderte Mister Hobbs. „Und ich könnte nichts beweisen.“
„Aber dieser falsche Inspektor Brown oder dieser Harris“, überlegte der Apotheker aus Berlin. „Wenn er lange genug in seiner Zelle sitzt, wird es ihm eines Tages zu dumm, und er singt wie eine Nachtigall.“
„Das allerdings könnte für Wilkinson gefährlich werden“, gab der Seehund zu. „Mario weiß zu viel und er hätte auch einige Beweise in der Tasche.“ Er nahm wieder einen Schluck aus der Weinflasche. „Aber sprechen wir jetzt doch mal von mir und davon, wie ein gewisser Mister Hobbs in die ganze Marmelade hineingeschliddert ist.“
„Da bin ich aber furchtbar neugierig“, sagte Frau Finkbeiner und steckte sich wieder einmal ein Karamelbonbon in den Mund.
„Ich lebe von meinem Cello, wie Sie wissen, und ich wollte schon immer was Besonderes aus dem Ding rausholen.“ Mister Hobbs schaute zum Meer hinaus, wo jetzt ein paar Negerjungen in den Wellen herumhüpften. „Aber mehr als Durchschnitt hab’ ich nie geschafft. Schön, ich bin mit ein paar Orchestern durch die halbe Welt gesegelt. Das schon. Aber nie als Solist und nie mit einem eigenen Konzert. Und man wird älter. Jüngere kommen nach. Schließlich reichte es nur noch für Bars und Tanzcafés. Und dann kam über Nacht das Angebot von einer Agentur, die Unterhaltungsprogramme für Passagierschiffe zusammenstellt. Ich war über ein Jahr ohne Arbeit gewesen, und wenn man mir angeboten hätte, in Alaska
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