Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der gelbe Handschuh

Der gelbe Handschuh

Titel: Der gelbe Handschuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
Vom Netzwerk:
Verandadeck.
    „Jetzt aber nichts wie weg“, zischte Frau Finkbeiner. „Verduften Sie, aber dalli!“
    „Das müssen Sie mir nicht zweimal sagen, gnädige
    Frau“, erwiderte der Seehund. Er stand bereits auf, bückte sich nach seinem Cellokasten und nach seinem Koffer.
    „Aber wir können ihn doch nicht einfach laufen lassen“, protestierte Ulli Wagner ein wenig unsicher. „Immerhin hat er doch — “
    „Ihr sollt mich ja gar nicht laufen lassen“, unterbrach ihn Mister Hobbs. „Ihr seid nur für einen kurzen Augenblick nicht besonders aufmerksam. Das passiert euch doch in der Schule, sooft ihr wollt.“ Er zwinkerte mit seinen traurigen Fischaugen. „Vielleicht dreht ihr euch um und guckt eine Weile zum Hafen hinüber. Das kann euch hinterher niemand vorwerfen. Schließlich seid ihr ja nicht als Gefängniswärter unterwegs, sondern als Touristen, die etwas sehen wollen. Und mehr als zwei knappe Minuten brauche ich nicht. Dann bin ich an Land, und die Hafenpolizei kümmert sich einen Dreck um mich.“
    Die Detektive blickten sich an.
    „Und dafür bekommen wir Ihre Geschichte?“ fragte Herr Finkbeiner.
    „Ja, für diese zwei Minuten bekommen Sie meine Geschichte“, versprach Mister Hobbs. „Und falls Ihnen dieser Mister Palmer die Hölle heiß machen sollte, dann sagen Sie ihm, daß ich bei ihm so stumm geblieben wäre wie ein Fisch. Auch wenn er mich stundenlang in die Zange genommen hätte.“
    „Ich wäre einverstanden“, sagte der Berliner Apotheker nach einer Weile.
    „Unter diesen Umständen...“, meinte Ulli Wagner. Er wollte noch etwas sagen, aber dann blickte er doch nur in die großen Fischaugen von Mister Hobbs.
    „Auch einverstanden“, gab der Bürstenhaarschnitt bekannt.
    Schließlich stellte Peter Finkbeiner fest: „Höchste Eisenbahn, daß wir uns endlich für die Insel etwas anziehen.“ Und beinahe im gleichen Augenblick türmten die drei Jungen in den Badehosen auch schon zu ihren Kabinen.
    „Jetzt liegt es also an Ihnen“, sagte Herr Wagner. „Ich meine, daß Sie Ihr Wort halten.“
    „Auf Wiedersehen, Mister Hobbs“, flüsterte Frau Finkbeiner. „Machen Sie endlich, daß Sie wegkommen.“ Sie hatte ihre Handtasche geöffnet und steckte sich ein Karamelbonbon in den Mund. Dabei schlenderte sie zur Backbordseite. Ihr Mann schob Mrs. Fuller in ihrem Rollstuhl hinterher, und Herr Wagner folgte ihnen. Als sie die Reling erreicht hatten, blickten sie zum Hafen hinüber, und Mrs. Fuller sagte: „Ein Boot neben dem anderen, wie bei einer Regatta.“
    „Und alle Segel so bunt wie Sommerkleider“, bemerkte Frau Finkbeiner.
    Mister Hobbs ging ein paar Schritte, dann drehte er sich noch einmal um. „Mein Schiff kommt erst am Nachmittag“, sagte er leise zu den vier Rücken hinüber. „Bis dahin verdrücke ich mich ins Flamingo. Das ist ein kleines Lokal direkt am Meer. Kurz vor der Magens Bay. Jeder Taxifahrer kann Sie hinbringen, falls Sie wirklich so neugierig sein sollten. So, und jetzt schlag’ ich mich in die Büsche.“
    „Passen Sie auf, daß Sie Herrn Latenser nicht in die Arme laufen“, murmelte Herr Finkbeiner.
    Als Mister Palmer ein paar Minuten später aus der Funkstation zurückkam, fand er auf dem Oberdeck nichts als leere Liegestühle vor. Er stürzte an die Reling und blickte zum Kai hinunter. Aber da entdeckte er nur den Inder in dem Eierschalenanzug, Herrn Latenser, der mit beiden Händen durch die Luft fuchtelte und auf ihn einsprach, sowie ein paar Zollbeamte, die in respektvoller Entfernung um die Kiste und um die zwei Körbe mit den Schlangen herumspazierten.
    Ein Lastwagen mit Melonen, Orangen und Bananen für das Schiff kam gerade angefahren, und ein Taxi kurvte von der Pier zur Straße. Es war ein ziemlich alter amerikanischer Schlitten, und Mister Palmer konnte natürlich nicht erkennen, daß die beiden Berliner Familien in seinen zinnoberroten Kunststoffpolstern saßen und vorn neben dem Negerchauffeur Mrs. Fuller. Aus dem Gepäckraum blitzte ein Rad ihres Rollstuhls.
    „Wenn wir alles genau sehen wollen, müssen wir uns beeilen“, meinte Frau Finkbeiner. „Wir haben mindestens zwei Stunden Verspätung.“
    Sie stellten fest, daß es in Charlotte Amalie tatsächlich eine Menge alter Giebelhäuser gab mit hohen Palmen dazwischen und mit Kakteen in den Vorgärten. Aber in den Straßen drängelten und schoben sich die Menschen wie nach einem Fußballspiel oder nach einem Stierkampf. Alles Passagiere von vier Schiffen, die heute gleichzeitig im

Weitere Kostenlose Bücher