Der Gelbe Nebel
ist
wohl das Richtige! Ich kann ihn hervorrufen und nach Belieben wieder
abstellen, also werden alle Menschen verstehen, daß die Zauberei von mir
ausgeht… Vor allen Dingen aber hat es diesen Nebel noch nie im
Zauberland gegeben, und er wird für die Menschen und für die Tiere eine
schreckliche Neuheit sein!“
Die Hexe ging in die Höhle zurück, jagte die Zwerge hinaus, damit sie sie
nicht beobachten konnten, und nahm aus einem Geheimfach das
Beschwörungsbuch. Obwohl inzwischen Jahrtausende vergangen waren,
hatte sich das Buch, das auf Pergament geschrieben war, gut erhalten.
Arachna blätterte eine Weile, bis sie die Seite fand, die sie suchte.
„Paß auf“, sagte sie zu dem Buch, „ich warne dich: Du hast meinen Befehl
zu erfüllen, wenn ich sage: Eins, zwei, drei! Aber merke dir: Der Gelbe
Nebel darf nicht in die Besitzungen Willinas und Stellas eindringen. Ich
möchte mich mit diesen Angeberinnen nicht einlassen, denn niemand weiß,
was für Zaubereien sie noch vorrätig haben und womit sie es mir vergelten
könnten. Zum zweiten: Der Gelbe Nebel darf sich nicht auf die Umgebung
meiner Höhle, über meine Felder und Obsthaine oder über die Wiesen
ausbreiten, auf denen meine Herden weiden. Und nun höre: Uburrukuruburru, tandarra-andabarra, faradon-garabodon, schabarra-scharabara,
erscheine, Gelber Nebel, über dem Zauberland, eins, zwei, drei!“
Kaum hatte sie die letzten Worte ausgesprochen, da hüllte auch schon ein
seltsamer gelber Nebel das ganze Zauberland, mit Ausnahme der
Besitzungen Willinas, Stellas und Arachnas, ein. Der Nebel war nicht sehr
dicht, man konnte durch ihn hindurch die Sonne sehen, doch schien sie jetzt
wie eine große, fahle rote Scheibe, so, wie sie gewöhnlich vor dem
Untergang schien, und man konnte auf sie schauen, ohne die Augen
schließen zu müssen. Der Leser wird vielleicht meinen, der Gelbe Nebel sei
kein sehr großes Unglück für das Zauberland gewesen, doch er gedulde
sich eine Weile, denn aus der folgenden wahrheitsgetreuen Geschichte wird
er erfahren, was dieser Nebel alles angerichtet hat. Fangen wir damit an,
daß der Zauberfernseher im Palast des Scheuchs zu funktionieren aufhörte.
Durch ihn hatten der Herrscher der Smaragdeninsel und seine Freunde die
Mißerfolge Arachnas ständig beobachten können. Sie hatten gesehen, wie
der schlaue Drache ein großes Stück des fliegenden Teppichs abgerissen
hatte und wie der Teppich nachher nur noch wie ein weicher Lappen in der
Luft flatterte. Sie hatten lachend zugeschaut, als Ruf Bilan in den von den
Käuern verlassenen Dörfern nach etwas Eßbarem stöberte und jedes Mal
mit leeren Händen zu seiner Herrin zurückkehrte. Die Art, wie die Hexe
den armen Kater fertigmachte, hatte den Scheuch und seine Freunde vor
Zorn erbeben lassen, und als sie später Arachna beim Gelage zusahen,
bogen sie sich vor Lachen. „So eine Freßgier!“ riefen sie, als ein Ochse
nach dem anderen vom Tisch in den unermeßlichen Magen Arachnas
wanderte. Mit Staunen hatten sie beobachtet, wie die Zwerge die
gewaltigen Schuhe für Arachna nähten, und sie hatten das Geschick und
den Fleiß der kleinen Menschlein bewundert. Der Scheuch und seine
Gefährten ließen sich vom Zauberkasten auch zeigen, was im Marranental
und im Land der Zwinkerer geschah. Sie hatten gesehen, daß nach dem
Sieg über die böse Hexe alles wieder in Ordnung kam und jedermann
erneut seinen Geschäften nachgehen konnte. Und plötzlich war von alldem
nichts mehr zu sehen: Der Bildschirm zeigte nur noch einen flatternden
trüben Nebelvorhang. Die Kontrolle über die Handlungen des Feindes war
verloren, und niemand konnte voraussagen, was Arachna jetzt unternehmen
werde.
DER BOTSCHAFTER ARACHNAS
Im Gelben Nebel hatte sich die Sicht sehr verkürzt. Bis auf fünfzig Schritt
konnte man die Gegenstände noch irgendwie unterscheiden, doch was
weiter lag, verschwand im trüben Dunst, und das wirkte beklemmend. Die
Welt eines jeden Menschen war jetzt sehr klein geworden. Was sich
jenseits dieser winzigen Welt zutrug, konnte man nur noch an den Tönen
erraten, die herüberdrangen, doch auch diese wurden durch den Nebel
verzerrt. Man konnte eine menschliche Stimme für das Krächzen eines
Raben halten und das Schlagen von Pferdehufen mit Trommelwirbel
verwechseln. Alles, was die Menschen umgab, schien jetzt seltsam und
ungewöhnlich. Man hielt den Gelben Nebel für eine Naturerscheinung,
ahnte nicht, daß es eine Zauberei
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