Der Gelbe Nebel
Seemann erzählte die
lange Geschichte von den Abenteuern, die er in Südafrika erlebt hatte, als
er noch jung war. Immer weiter trug der Drache mit seinen mächtigen
Flügeln die Menschen, bis sie die Große Wüste erblickten. Ein
unüberwindliches und schreckliches Hindernis für Fußgänger und Reiter,
bot diese Wüste dem Zauberland sicheren Schutz gegen die übrige Welt.
Oicho bewegte leicht und schnell die riesigen Hautflügel, ihm konnten
weder der endlose Sand noch die schwarzen Steine Gingemas bange
machen. Die schwarzen Steine! Wie viele Erinnerungen weckten sie bei
den Insassen der Kabine! Charlie Black mußte daran denken, wie er, Elli
und Toto an einem solchen schwarzen Stein fast vor Durst
vergingen und wie dann die Krähe Kaggi-Karr mit einer herrlichen
Weintraube angeflogen kam und ihnen das Leben rettete. Die Krähe schien
an dasselbe zu denken, denn sie blickte den Seemann mit einem Ausdruck
an, als wollte sie sagen:
,Ich kann mich noch genau daran erinnern, aber ich empfinde gar keinen
Stolz deshalb!“
Charlie streichelte Kaggi-Karr, die sich sehr zärtlich an ihn schmiegte.
Als Tim und Ann die zwei schwarzen Pünktchen im gelben Sand
erblickten, erinnerten sie sich daran, wie das Mädchen im vergangenen Jahr
an dieser Stelle fast gestorben wäre, hätte Hannibal sie mit seiner Kraft und
Ausdauer nicht gerettet. Unter den Flügeln des Drachen zeigten sich die
Weltumspannenden Berge, die der große Zauberer Hurrikap in alter Zeit
erschaffen hatte. Ein undurchdringliches Chaos von Bergketten und tiefen
Schluchten mit noch unerforschten Geheimnissen lag da unten, und Ann
und Tim dachten mit Staunen, wie flink ihre mechanischen Maulesel
gewesen sein mußten, um dieses Hindernis zu überwinden. Lachend
versprachen sich der Junge und das Mädchen, die Weltumspannenden
Berge in Zukunft nur noch mit Drachen oder äußerstenfalls mit
Riesenadlern von der Art zu überqueren, die sie auf ihrer ersten Reise
kennengelernt hatten. Unter ihnen glitten schneebedeckte Gipfel und
Gletscher dahin, die das menschliche Auge jedoch nicht blendeten, denn ihr
weißer Glanz wurde hier durch den Gelben Nebel gedämpft, der über den
Bergen lag, allerdings ohne die Sicht zu stören. Ein ganz anderes Bild bot
sich unseren Helden beim Überfliegen des Zauberlandes. Der Nebel war
nicht sehr dicht, doch aus der Höhe, in der Oicho flog, konnte man die Erde
nicht sehen. Der mächtige Drache verstärkte seine Flügelschläge, doch in
dem gelben Dunst schien es, als bewege er sich nicht von der Stelle.
Kaggi-Karr und Arto erhielten ihre Sprache zurück, als Oicho noch über
den Bergen flog. Daß die Krähe sprechen konnte, kam den Reisenden jetzt
gut zustatten, denn Kaggi-Karr hatte das Zauberland kreuz und quer
durchwandert und kannte es ausgezeichnet. Sie trat aus der Kabine, setzte
sich auf Oichos Kopf und erteilte ihm nun Befehle. Vor allem hieß sie ihn
die Höhe verringern und in Tiefflug geben, denn nur so konnte man die
Gegenstände auf der Erde ausmachen und den Kurs richtig bestimmen.
„Rechts! Geradeaus! Links!…“, kommandierte die Krähe, und Oicho führte
prompt ihre Befehle aus. Die Kabineninsassen blickten zur Erde. Als Ann
das Zauberland gewahrte, schlug sie die Hände über dem Kopf zusammen
und begann zu weinen. Was war aus dem einst so schönen Land geworden!
Wo waren die heiteren Wiesen mit dem üppigen Gras und den herrlichen
Blumen verschwunden? Wo das dichte Laub der grünen Haine mit den
saftigen Früchten und bunten Papageien, die schreiend von Zweig zu Zweig
flogen? Jetzt lag alles öde und ausgestorben da. Schnee bedeckte die weiten
Wiesen und nackten Bäume, kalte Winde trieben dürre Blätter vor sich her.
Nirgends war ein Tier zu sehen. Alle Vögel waren verschwunden, Goldund Silberfischlein lagen unter dem Eis, das jetzt die einst durchsichtigen
Bäche bedeckte.
Sogar Faramant war vom düsteren Bild der Verwüstung überrascht, das
sich den Reisenden bot. Es waren erst sechs Tage seit seiner Abreise
vergangen, doch wie schrecklich hatte sich alles in dieser kurzen Zeit
verändert! Unfaßbar, welche Gewalt der Winter über die Natur des einst so
heiteren und sonnigen Landes errungen hatte! Unweit tauchte mitten im
Walde ein langer glatter Streifen auf, in dem die scharfäugige Kaggi-Karr
den gelben Backsteinweg erkannte, obwohl er von Schnee verweht war.
„Geradeaus und nach rechts!“ befahl sie dem Drachen. „Jetzt kommen wir
nicht mehr
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