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Der gelbe Tod

Titel: Der gelbe Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert W. Chambers
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Einfluß des Onkels. Vater Präsident der Seaforth Bank.« Ich sah den am Boden liegenden Mann an.
    »Stehen Sie auf, Vance«, sagte Mr. Wilde mit freundlicher Stimme. Vance erhob sich wie hypnotisiert. »Er wird jetzt tun, was wir ihm sagen«, bemerkte Mr. Wilde und öffnete das Manuskript, um die ganze Geschichte der Kaiserlichen Dynastie von Amerika zu lesen. Dann ging er freundlich und beschwichtigend flüsternd die wichtigen Punkte mit Vance durch, der wie betäubt dastand. Seine Augen waren so leer und ausdruckslos, daß ich überzeugt war, daß er den Verstand verloren hatte und teilte das Mr. Wilde mit, der darauf erwiderte, das sei in jedem Fall ohne Bedeutung. Sehr geduldig setzten wir Vance auseinander, welches sein Teil der Aufgabe war, und nach einer Weile schien er zu verstehen. Mr. Wilde erklärte das Manuskript, wobei er verschiedene Heraldikbände heranzog, um die Ergebnisse seiner Nachforschungen zu untermauern. Er erwähnte die Errichtung der Dynastie in Carcosa, die Seen, die Hastur, Aldebaran und das Geheimnis der Hyaden verbanden. Er sprach von Cassilda und Camilla und ließ die düsteren Tiefen von Demhe und den See von Hali erklingen. »Die zerlumpten Fetzen des Königs in Gelb müssen Yhtill für immer verbergen«, murmelte er, aber ich glaube nicht, daß Vance ihn hörte. Dann führte er Vance Schritt für Schritt durch die Zweige der kaiserlichen Familie, zu Uoth und Thale, von Naotalba und Phantom der Wahrheit zu Aldones, und begann dann, indem er sein Manuskript und die Aufzeichnungen beiseite schob, die wunderbare Geschichte des Letzten Königs. Fasziniert und gespannt beobachtete ich ihn. Er warf den Kopf in den Nacken, er hatte seine langen Arme in einer großartigen Gebärde des Stolzes und der Macht gen Himmel gehoben, und seine Augen glänzten tief in ihren Höhlen wie zwei Smaragde. Vance lauschte benommen.
    Und was mich betrifft, mir wirbelte der Kopf vor Erregung, als schließlich Mr. Wilde geendet hatte und, auf mich deutend, rief: »Der Vetter des Königs!«
    Mit übermenschlicher Anstrengung nahm ich mich zusammen und erklärte Vance, warum ich allein würdig war, die Krone zu tragen und warum mein Vetter verbannt oder hingerichtet werden mußte. Ich machte ihm klar, daß mein Vetter niemals heiraten durfte, auch wenn er auf all seine Ansprüche verzichtete und daß er unter gar keinen Umständen die Tochter des Marquis von Avonshire heiraten und England mit hineinziehen durfte. Ich zeigte ihm eine Liste mit Tausenden von Namen, die Mr. Wilde aufgezeichnet hatte. Jeder Mann, dessen Name hier erschien, hatte das Gelbe Zeichen erhalten, das kein lebendes Wesen zu mißachten wagte. Die Stadt, der Staat, das ganze Land waren bereit, sich zu erheben und vor der Bleichen Maske zu zittern.
    Die Zeit war gekommen, daß die Menschen den Sohn von Hastur erkennen sollten, und die ganze Welt mußte sich vor den Schwarzen Sternen, die am Himmel über Carcosa stehen, verbeugen.
    Vance stützte sich, den Kopf in den Händen vergraben, auf den Tisch. Mr. Wilde zeichnete mit einem Bleistiftstummel eine grobe Skizze auf die Ausgabe des Herald vom Vortage. Es war ein Plan von Hawberks Räumen. Dann schrieb er den Befehl nieder und verschloß das Siegel, und ich signierte, zitternd wie ein siecher Greis, meinen ersten Hinrichtungsbefehl mit meinem Namen Hildred-Rex.
    Mr. Wilde kletterte vom Stuhl und nahm, nachdem er den Wandschrank aufgeschlossen hatte, eine lange, rechteckige Schachtel vom ersten Bord. Er legte sie auf den Tisch und öffnete sie. Darin lag ein neues Messer in Seidenpapier eingeschlagen, und ich nahm es und reichte es Vance zusammen mit dem Befehl und dem Plan von Hawberks Wohnung. Dann entließ Mr. Wilde Vance, und er ging, geduckt wie ein Ausgestoßener aus den Slums.
    Ich saß noch eine Weile da und beobachtete, wie das Tageslicht hinter dem eckigen Turm der Judson-Gedächtniskirche verblaßte und nahm schließlich, nachdem ich das Manuskript und die Aufzeichnungen zusammengerafft hatte, meinen Hut und ging zur Tür.
    Mr. Wüde sah mir schweigend zu. Als ich in den Flur hinausgetreten war, schaute ich zurück. Mr. Wildes kleine Augen ruhten noch immer auf mir. Hinter ihm vereinigten sich die Schatten im schwindenden Licht. Dann schloß ich die Tür hinter mir und ging hinaus in die wachsende Dunkelheit der Straßen.
    Ich hatte seit dem Frühstück nichts gegessen, aber ich war nicht hungrig. Eine erbärmliche, halb verhungerte Gestalt, die an der Todeskammer stand und über

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