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Der gelbe Tod

Titel: Der gelbe Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert W. Chambers
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ich ihm den ganzen Betrag, das ist nun einmal die Art, wie wir unsere Modelle verderben.
    Nachdem der junge Schelm gegangen war, machte ich ein paar nachlässige Kleckser auf mein Werk, war aber so wenig in Stimmung, daß ich den Rest des Nachmittages dazu brauchte, die Verwüstung zu beseitigen, die ich angerichtet hatte. Schließlich säuberte ich meine Palette, legte die Pinsel in eine Schüssel mit schwarzer Reinigungsflüssigkeit und schlenderte hinüber in das Rauchzimmer. Ich war wirklich überzeugt, daß, mit Ausnahme von Genevièves Gemächern, kein Raum im Haus so frei von Tabakrauch war wie dieser. Es war ein merkwürdiges Durcheinander von allerlei mit fadenscheinigen Tüchern verhangenem Kram. Ein wohlklingendes, gut erhaltenes Spinett stand neben dem Fenster. Es gab Gestelle voller Waffen, manche alt und matt, andere glänzend und neu, Girlanden von indischen und türkischen Dolchen über dem Kaminsims, zwei oder drei gute Bilder und einen Pfeifenständer. Hierher pflegten wir uns auf der Suche nach neuen Raucherlebnissen zu begeben. Ich bezweifle, daß es je eine Pfeifenart gab, die in diesem Ständer nicht vertreten war. Wenn wir uns für eine entschieden hatten, brachten wir sie auf der Stelle in einen anderen Raum und rauchten sie dort, denn dieser Ort war, alles in allem, düsterer und weniger einladend als jeder andere im Haus. Aber an diesem Nachmittag war das Zwielicht wohltuend, die Teppiche und Felle auf dem Boden sahen braun und weich und einschläfernd aus. Auf dem großen Sofa lagen Kissen aufgetürmt. Ich fand die richtige Pfeife und rollte mich zum ungewohnten Rauchgenuß im Rauchzimmer darauf zusammen. Ich hatte eine mit langem biegsamen Stiel gewählt und verfiel, nachdem ich sie angezündet hatte, in Träumerei. Nach einiger Zeit erlosch sie, aber ich rührte mich nicht. Ich fuhr fort, zu träumen und schlief kurz darauf ein.
    Ich erwachte von der schwermütigsten Musik, die ich je gehört hatte. Das Zimmer war ziemlich dunkel, ich wußte nicht, wie spät es war. Der Mondschein tauchte eine Ecke des alten Spinetts in Silber, und die Klänge schienen aus dem polierten Holz auszuströmen, wie Parfüm über einer Schachtel aus Sandelholz schwebt. Jemand erhob sich in der Dunkelheit und entfernte sich leise weinend, und ich war so töricht, auszurufen: »Geneviève!«
    Beim Klang meiner Stimme sank sie zu Boden, und ich hatte Zeit, mich zu verfluchen, während ich Licht machte und versuchte, sie aufzuheben. Sie schrak mit einem qualvollen Seufzer zurück. Sie war sehr ruhig und fragte nach Boris. Ich trug sie zum Sofa und ging, ihn zu suchen, aber er war nicht zu Hause, und die Dienstboten waren schon zu Bett gegangen. Bestürzt und beunruhigt eilte ich zurück zu Geneviève. Sie lag noch da, wo ich sie verlassen hatte und sah sehr blaß aus.
    »Ich kann weder Boris noch einen der Diener finden«, sagte ich.
    »Ich weiß«, antwortete sie kraftlos, »Boris ist mit Mr. Scott nach Ept gefahren. Ich habe nicht daran gedacht, als ich Sie gerade eben nach ihm schickte.«
    »Aber in diesem Fall kann er vor morgen nachmittag nicht wieder hier sein, und – sind Sie verletzt? Habe ich Sie so erschreckt, daß Sie stürzten? Was für ein furchtbarer Narr ich bin, aber ich war noch halb im Schlaf.«
    »Boris dachte, Sie wären vor dem Abendessen nach Hause gegangen. Bitte verzeihen Sie uns, daß wir Sie die ganze Zeit über hier alleine gelassen haben.«
    »Ich habe einen langen Mittagsschlaf gehalten«, lachte ich, »so tief, daß ich nicht wußte, ob ich schlief oder wachte, als ich mich dabei ertappte, daß ich eine Gestalt anstarrte, die auf mich zu kam, und ich rief Ihren Namen. Haben Sie das alte Spinett ausprobiert? Sie müssen sehr leise gespielt haben.«
    Ich würde noch tausend Lügen erfinden, schlimmer als diese, um den Ausdruck der Erleichterung zu sehen, der jetzt auf ihrem Gesicht erschien. Sie lächelte anbetungswürdig und sagte mit normaler Stimme: »Alec, ich bin über diesen Wolfskopf gestolpert, und ich glaube, ich habe mir den Fuß verstaucht. Bitte, ruf Marie, und geh dann nach Hause.«
    Ich tat, wie sie mich geheißen hatte und verließ sie, als das Mädchen hereinkam.
    III
    Als ich am Mittag des nächsten Tages einen Besuch machte, traf ich Boris, der ruhelos in seinem Atelier umherwanderte.
    »Geneviève ist gerade eingeschlafen«, teilte er mir mit, »die Verstauchung ist nicht schlimm, aber warum hat sie nur so hohes Fieber? Der Doktor hat keine Erklärung dafür, oder er

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