Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
den beiden etwas mit dem Anschlag zu tun hat. Der Junge, der neben mir stand, bestimmt nicht. Er war nicht einmal bewaffnet.“
Sigibert stand auf und langte beiläufig nach seinem Schwert, das neben ihm am Stuhl lehnte. Jetzt ist es soweit, dachte Wittiges. Er wird mich niedermachen, um sicherzugehen. Ein Toter stellt keine Gefahr mehr dar.
„Das habe ich nicht verdient!“, schrie er außer sich und schnellte hoch. Die Waffen hatten ihm Sigiberts Krieger abgenommen.
„Nur ruhig“, mischte sich Gogo ein. „Knie nieder.“
Plötzlich floss alle Kraft aus Wittiges heraus. „Also gut“, murrte er mit einem Anflug von heroischem Trotz und sank auf die Knie, „dann muss es wohl so sein. Ich flehe nicht um mein Leben. Aber ich hoffe, du schaffst es mit einem Streich, mir den Kopf abzuschlagen.“ Wie lange dauerte das Sterben?
„Gib mir deine Hände.“ Sigiberts Stimme klang ruhig, beinahe mitleidig. Ohne aufzuschauen, streckte Wittiges die Arme aus.
„Du musst die Hände falten.“ Belustigung klang in der Stimme auf.
Wittiges hob den Kopf. Sigibert lächelte, Gogo hielt das Schwert für ihn.
„Du bist wegen des Eids gekommen und ich werde ihn dir hier abnehmen.“ Sigiberts große raue Hände legten sich um die von Wittiges. „Ich werde dir den Eid vorsprechen, und du sprichst ihn nach.“
Ein Taumel erfasste Wittiges. Ein Schauder nach dem anderen überlief ihn. Von den Händen, die die seinen umfassten, ging etwas Magisches aus, er wusste es, er spürte es. Alle gesalbten Könige hatten es. Die Kraft, Heil zu spenden, unmittelbar von Gott verliehen.
Wittiges hörte sich reden, sehr getragen, sehr ernst, denn ein Eid erforderte Ernst, nur wusste er nicht genau, was er sagte. Das würde er sich später von Gogo erklären lassen. Der Herzog blickte ernst drein, als er Sigibert zum Schluss das Schwert reichte, das dieser mit der flachen Klinge in einem wuchtigen Hieb auf Wittiges Schulter niedersausen ließ.
Wittiges empfing den Schlag standhaft, ohne merklich nachzugeben.
Sigibert grinste unmerklich. „Du bist ein Kerl, nicht wahr? Ein echter Krieger.“
Danach zog er ihn auf die Füße, umarmte und küsste ihn und lächelte plötzlich. „Willkommen bei meinen Anstrustiones , Wittiges.“
Anstrustio ! Sigibert hatte ihn in die Reihen seiner engsten Gefährten, seiner Tischgenossen und Waffenbrüder aufgenommen, statt aus ihm nur einen wehrpflichtigen Gefolgsmann zu machen. Wittiges war zu überwältigt, um irgendetwas Kluges von sich zu geben. Gogo begleitete ihn hinaus und schloss nachdrücklich hinter ihm die Tür.
Sigibert verhielt noch einen Moment schweigend, in Gedanken versunken.
„Nun“, sagte er schließlich, „was machen wir jetzt mit ihm? Ich hoffe nur, der Aufwand lohnt sich. Schlag erst einmal vor, was wir ihm als Anerkennung und Dank geben sollen.“
„Kein Gold, sondern Land“, antwortete Gogo, ohne zu überlegen. „Land hält ihn hier. Anders als wir legen die Westgoten viel Wert auf Land, er wird es zu schätzen wissen. Und Wittiges kommt vom Land, hat mir Priscus erzählt.“
„Übernimm du das. Lass eine Urkunde ausfertigen, die ihm Land in der Umgebung von Reims zuweist. Aber nicht so viel, dass er sich um nichts anderes mehr kümmert. Ich will ihn bei mir haben. In meiner Leibwache. Der Junge hat Augen wie ein Luchs.“
„Und er ist unerschrocken.“ Gogo berichtete in knappen Worten von Wittiges’ Rolle bei dem Überfall auf Brunichild und ihren Tross auf der Reise nach Metz.
„Dann bin ich ihm doppelt Dank schuldig“, sagte Sigibert lächelnd und erhob sich. „Und nun möchte ich etwas tun, wozu ich bisher nicht gekommen bin. Wo hast du ihn?“
„Wen?“
„Den Schatz.“
Gogo wusste, was Sigibert meinte. „Sicher verwahrt.“ Als oberster Hofbeamter und Hausmeier hielt er die Hand auf dem Brautschatz der Königin. Er hatte alle Wagen entladen lassen und den Inhalt unter großen Sicherheitsvorkehrungen in einer Kammer unterhalb des Palastes untergebracht, zu der ein streng bewachter Zugang führte. Die beiden passierten die Wachen, ließen sich Fackeln geben, und Gogo schloss am Ende eines Ganges die schwere Eichentür auf. Mit Sigibert zusammen betrat er den fensterlosen Raum. Es roch muffig, nach jahrhundertealtem Staub. Aber das kümmerte keinen der beiden. Ihre Aufmerksamkeit war voll und ganz auf große und kleine Truhen gerichtet, die durch Eisenbänder und komplizierte Schlösser gesichert waren. Die Schlüssel drehten sich knirschend und so
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