Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
Gesinnung. Vor ihm würden noch drei Westgoten den Treueeid leisten. Alle drei wollten bleiben und hier ihr Glück versuchen, da sie in der Heimat nicht viel zu erwarten hatten, ähnlich wie Wittiges selbst. Der jüngste von ihnen war sechzehn, ein schmächtiger Kerl, der ihm verlegen anvertraut hatte, er habe sich in eine Magd Brunichilds verliebt. Sie wollten sich gemeinsam etwas aufbauen.
Pontus war mit in die Halle gekommen, während sich Alexander verstockt in ihrer Unterkunft verkrochen hatte. Im Augenblick hätte ihm Wittiges gern Gesellschaft geleistet. Je näher er dem Königspaar rückte, desto heftiger empfand er Widerstreben und Pein. Brunichild war sich offenbar schnell mit ihrem Gatten einig geworden. Beide strahlten die Aura eines gesegneten und vertrauten Paares aus, ein überaus schmerzlicher Anblick. Dazu kam noch die unverkennbare Hoheit, sie waren gesalbte Könige. Sigibert trug neben der kostbaren Kleidung aus Goldbrokat alle Insignien seiner Königswürde: einen goldenen Handgelenksring, einen Stirnreif und eine Kette, an der ein mit Almandinen besetzter Stierkopfanhänger als Zeichen seiner legitimen Abkunft von Merowech hing, dem halbmythischen Ahnherrn. Brunichilds Brust bedeckte ein schweres, doppeltes Collier aus Gold und Edelsteinen und ihre Hüften waren mit einem breiten Band gegürtet, an dem ein Stierkopfanhänger befestigt war. Mit seinem Gepränge wirkte das Königspaar hoch erhaben über alle Sterblichen.
An der Hochzeitszeremonie hatten nur das engste Gefolge und die Familie teilgenommen, es war dem Hörensagen nach eine ergreifende Feier gewesen. Dort war etwas geschehen, das Brunichild Wittiges auf ewig entrückte.
Mit einem heftigen inneren Aufbegehren dachte er daran, dass er sie vor Sigibert besessen hatte, vor ihrem angetrauten Gatten. Eigentlich war sie ...
Alle Gedanken stockten. Die beiden Westgoten in der Reihe vor ihm traten mit langen Schritten auf den König zu, etwas blitzte unter dem Mantelsaum des einen auf. Die Spitze einer Waffe. Der Westgote hatte einen Scaramax bei sich, einen armlangen zweischneidigen Dolch, der sehr gut am Körper zu tragen war. Unauffällig, nützlich, die gefährlichste und heimtückischste Waffe überhaupt. Wittiges nahm eine bestimmte Bewegung des Arms wahr. Wie von selbst schoss sein Fuß vor, hakte sich in ein Bein des Mannes, während er sein Messer zog und nahezu blind zustach. Von der Seite, von unten.
Noch während der Westgote in die Knie brach, kam Tumult auf. Schreie gellten. Sigibert begriff sofort. Blitzschnell zog er sein Schwert, schlug beidhändig zu, trennte den Kopf des Attentäters halb ab. Blut spritzte. Jetzt versuchte auch der zweite Westgote mit seinem Dolch zuzustechen. Aber bevor noch andere Krieger herangestürmt waren, holte Sigibert erneut aus und rammte dem Mann die Klinge in die Kehle, riss sie heraus und sah sich mit wildem Blick nach weiteren Angreifern um.
Der Junge neben Wittiges war einen Schritt zurückgewichen und hob abwehrend die Hände. Sigibert schwang trotzdem das Schwert.
„Nein!“, schrie Wittiges. „Genug!“
Der Angriff stockte mitten in der Bewegung. Wittiges schob sich von der Seite an den Jungen heran. Im nächsten Moment stieß Sigibert diesen zu Boden, stellte ihm den Fuß auf den Rücken, und hielt ihm die Klinge an die Kehle.
„Warum soll ich den Jungen nicht töten?“, fragte er.
Zwei Männer packten Wittiges, er leistete keine Gegenwehr. „Er ist unschuldig“, keuchte er. „Er hat mit den anderen nichts zu tun, er will eine Fränkin heiraten.“
Sigibert glotzte ungläubig. Spöttisches Gelächter erhob sich, das jäh abbrach.
„Zumindest er selbst ist unschuldig. Lasst Wittiges frei.“ Das war Gogos grollende Stimme. Wittiges wagte noch nicht zu hoffen, dass sich Gogos Vernunft durchsetzte. Nie war ihm der Herzog so lieb und teuer gewesen. Fast wie ein Freund.
Erst als Sigibert unmerklich nickte und von dem knienden Jungen zurücktrat, wurde Wittiges losgelassen. Alles hatte sich verändert. Aufruhr herrschte statt weihevoller Stimmung. Aufgeregte Gefolgsleute rotteten sich zusammen, überall schimmerte blanker Schwertstahl. Die Westgoten aus Brunichilds Eskorte knieten entwaffnet auf dem Boden, oder sie lagen still da, während sich ringsum Blutlachen ausbreiteten.
Brunichilds Gesicht war schneeweiß, sie hielt sich leicht gekrümmt, die Arme um die Schultern geschlungen, als hätte sie ein plötzlicher Eishauch getroffen.
Wittiges Blick flog zu ihr. Nein, sie
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