Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
verstehe ich. Gestern hieß es noch, du ringst mit dem Tod, und heute sehe ich dich auf wundersame Weise genesen. Wie ist das möglich?“
„Indem meine Getreuen für mich beten“, antwortete Charibert spöttisch, „und indem ich eine Gesellschaft verlasse, die der Gesundheit höchst abträglich ist.“
Der älteste fränkische König war beleibt und kurzatmig und hatte nach einem Zweistundenritt eine fleckige Haut. Alles in allem wirkte er von den Brüdern am wenigsten männlich. Er entsprach kaum der Vorstellung eines wehrhaften, kampferprobten Herrschers, und Wittiges zweifelte, dass die vorherige Hinfälligkeit wirklich ganz und gar vorgetäuscht gewesen war.
„Sie haben sich gezankt, nicht wahr?“, fuhr Charibert listig fort. „Meine Brüder. Wollten bereits mein Erbe verteilen.“
Wahrscheinlich, sann Wittiges, stand hinter jeder Wand und jeder Tür ein begabter Lauscher, denn dieses Wissen konnte kaum Chariberts Hellsicht entstammen.
„Wollten sie, konnten sich aber nicht einigen.“ Wittiges nickte kühl.
„Das dachte ich mir. Das alte Spiel“, erklärte Charibert und schlug sich meckernd auf die fetten Schenkel. „Und deshalb habe ich mich kränker gestellt als ich bin. War bloß gescheit. Wir kommen nicht allzu oft zusammen, wir Brüder, und jeder ist zu Recht vor dem anderen auf der Hut. Das ist Familientradition. Hätten sie annehmen müssen, auf das Erbe noch einige Jahre warten zu müssen, hätten sie meinem Ende wahrscheinlich nachgeholfen.“
Wittiges mochte das kaum glauben, bis ihm der Angriff auf Sigibert einfiel. Jemand hatte zwei Westgoten als Attentäter gedungen, und jetzt war ihm endgültig klar, dass als Auftraggeber kein westgotischer Herrscher in Frage kam. Der Feind saß im Land der Franken, mitten in seiner neuen Heimat.
Aletha spürte offenbar, wie sehr ihm neue Erkenntnisse zusetzten. „Entschuldigst du uns?“, wandte sie sich lächelnd an Charibert. „Mein Mann hat noch nichts gegessen und getrunken, und um die Pferde müssen wir uns auch noch kümmern.“
„Eine liebevolle Frau“, sinnierte Charibert laut und gab mit einem Wink zu verstehen, dass sie sich entfernen durften, „ist der größte Schatz auf Erden, und darum wird dich jeder beneiden. Selbst ich, obwohl ich schon vier Gattinnen habe. Bloß nicht so junge und hübsche.“ Er warf einen eindeutig begehrlichen Blick auf Aletha.
Charibert, befand Wittiges, war entschieden ein Widerling. Aber sie mussten ja nur noch bis zum Abend in seiner Gesellschaft ausharren.
Wittiges rechnete fest damit, endlich eine Liebesnacht mit Aletha zu verbringen und dachte ernsthaft über eine Morgengabe nach, mit der er ihr zu verstehen geben konnte, wie sehr er mit ihr als hingebungsvolle Ehefrau zufrieden war, selbst wenn das erst einmal gelogen war. Bloß hatte er nichts Angemessenes für sie, und die Morgengabe musste warten. Er hoffte, Aletha würde nicht gleich beleidigt sein. Das Geschenk sollte sie ja später noch bekommen.
Irgendwann kurz vor der Stadt gestand er ihr, dass in ihrer Reisekasse geradezu bestürzende Ebbe herrschte. Aletha nahm die Eröffnung bewundernswert gelassen auf und schlug vor, im Königspalast von Reims ein kostenloses Quartier zu beziehen, das ihm als Anstrustio Sigiberts sowieso zustand. Wittiges war mit dieser Lösung einverstanden und hoffte inständig auf ein Zimmer nur für sie beide mit einem behaglichen breiten Bett. Es fiel ihm schwer, noch an etwas anderes zu denken. Die Stadt, deren Tore ihnen bereitwillig geöffnet wurden, nahm er nur am Rande wahr.
Im Durcheinander der Ankunft im Palast verschwand Aletha auf unerklärliche Weise von seiner Seite. Nachdem er Bauto einen ordentlichen Platz im Stall besorgt hatte, ging er auf die Suche nach seiner Frau. Das gestaltete sich schwieriger als erwartet. Schließlich musste er feststellen, dass sie sich listigerweise unter Chariberts Frauen gemischt und sich für die Nacht mit ihnen zurückgezogen hatte. Wittiges konnte froh sein, einen Schlafplatz in einem Raum bei anderen Kriegern zu finden.
Aletha sah er erst am Morgen beim Frühstück wieder.
Freundlich trat sie auf ihn zu, einen Becher Bier in der einen und ein Stück frisches Brot in der anderen Hand, das er hungrig verschlang, bis er die allzu selbstzufriedene Miene seiner Ehefrau bemerkte und sich beinahe an einem Bissen verschluckte. Sie hatte genau gewusst, was er für die Nacht vorgehabt hatte und ihn sehr geschickt ausgetrickst. Das würde er sich merken, schwor er sich
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