Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
Durch Pontus’ Zeremonie wurde die alte Ordnung unter Gottes allsehendem Auge wiederhergestellt. Barchild machte wenigstens die Hälfte des Segens zunichte, als sie danach Zaubersprüche murmelte und auf die Steine spuckte. Irgendwann sagte sich Wittiges, dass er das Treiben der Alten nicht hätte dulden sollen, aber da war es zu spät. Als er nach dem dritten Grenzstein Pontus auf die alte Urschel aufmerksam machte, zuckte Pontus nur gleichmütig die Schultern. „Achte nicht auf sie. Was geweiht und gesegnet ist, bleibt geweiht und gesegnet. Daran ändert auch die Hexe nichts mehr.“ Er feixte. „Sie ist nur ein dummes altes Huhn.“
„Dem man längst den schrumpeligen Hals hätte umdrehen sollen“, knurrte Wittiges verärgert.
Erst am Nachmittag waren sie fertig. Wittiges schickte alle bis auf Pontus nach Hause. Mit ihm wollte er noch den Bauern aufsuchen, der sich an den Grenzsteinen vergriffen hatte.
„Ist es nicht besser, wenn ich dich mit einigen Männern begleite?“, fragte Karl besorgt.
„Nein“, antwortete Wittiges gleichmütig, „ich will nicht, dass mein Nachbar meint, ich fürchte mich vor einem einfachen Bauern.“
Karl blieb skeptisch. „Einfach ist der bestimmt nicht“, gab er zu bedenken. „Das ist einer von jenen, bei denen du deine Finger nachzählen musst, wenn du ihm die Hand gereicht hast.“
„Ich werd’s mir merken“, erwiderte Wittiges unbeeindruckt.
Der Hof des Bauern lag nicht weit entfernt vom Ufer eines schmalen Rinnsals, das in einen Teich mündete. Das kleine Gewässer war zu schwach, um eine Mühle anzutreiben, wie Wittiges mit Befriedigung feststellte. Er selbst besaß eine Mühle, das war eine der erfreulichen Entdeckungen auf dem langen Ritt um seinen Besitz. Sie war nicht gerade in Bestzustand, denn das Mühlrad war schwer beschädigt, aber der Steinsockel des Mühlhauses machte einen soliden Eindruck und Teile des Daches waren noch vorhanden. Drei, vier Wochen harter Arbeit, und die Mühle konnte wieder in Betrieb genommen werden. Dann fehlte nur noch ein Müller.
Der Mangel an arbeitsfähigen Menschen war die größte Sorge, mit der er sich herumschlagen musste, gleich nach den Geldschwierigkeiten. Auch mit dem Gewinn aus dem Purpurverkauf hatte er längst nicht die nötigen Mittel, um das Gut einigermaßen instand zu setzen. Es würde noch lange eine Mangelwirtschaft bleiben. Von Mangelwirtschaft konnte bei seinem Nachbarn keine Rede sein. Sein Hof glich einem gut geführten kleinen Dorf. Ein Dutzend Gebäude umgab das Haupthaus, und die umhereilenden Knechte und Mägde ließen auf eine große Gesindeschar schließen. Ein Hof wie dieser war sicher eine Seltenheit. Wittiges war gespannt auf den Herrn dieses Reichtums.
Pontus und Wittiges waren durch ein hohes Tor in dem Flechtzaum geritten, der das Anwesen umgab. Sofort wurden sie von einem halben Dutzend Hunden verbellt. Ein Junge mit einem Eimer blieb auf dem Weg zum Brunnen stehen.
Wittiges schwang sich aus dem Sattel. „Ruf deinen Herrn!“, wies er den Jungen an und tat so, als beachte er die Hunde nicht, die knurrend näher rückten. Der Junge stellte seinen Eimer ab und stob davon.
„Schöner Empfang“, schimpfte Pontus und stieg ebenfalls ab.
Nebeneinander gingen sie, die Tiere hinter sich am Zügel führend, auf das Haupthaus zu. Einer der Hunde schnappte nach Pontus’ Bein und erhielt einen Tritt vor die Schnauze. Jaulend wich der Hund zurück. Jemand rief einen scharfen Befehl, und die übrigen Hunde kuschten. Nun konnten Wittiges und Pontus unbehelligt das Haus erreichen. Und dort erwartete sie ein Mann, breitbeinig in der offenen Tür stehend. „Seid mir willkommen, Fremde, was immer euch herführt.“
„Die guten Sitten, Nachbar“, sagte Wittiges förmlich. „Ich bin der Anstrustio Wittiges, von König Sigibert zum Nachfolger Gozberts bestimmt. Sicher willst du wissen, mit wem du dir nun eine Grenze teilst“, fuhr er leichthin fort.
Hatte etwas in dem teigigen Gesicht des Mannes gezuckt, als er das Wort Grenze hörte? Wittiges war sich nicht sicher.
„Und wer ist dein Begleiter?“ In der Stimme schwang eindeutig Wachsamkeit mit.
„Pontus“, sagte Pontus, „Gefolgsmann.“ Er trug gut sichtbar seinen neuen Bogen und einen Köcher mit Pfeilen auf dem Rücken, aber das beeindruckte den Bauern offenkundig nicht.
Der Mann schaute von einem zum anderen, dann schweifte sein Blick zum Tor. „Und die anderen? Ihr seid doch nicht nur zu zweit hergekommen.“
„Brauche ich für
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