Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
Wir nehmen es damit sehr genau. Bei uns hängt man solche Leute.“
„Das sagst du mir so ins Gesicht?“, schrie Theodo.
„Du hast es doch gehört“, erwiderte Wittiges kalt.
Theodo atmete heftig, sein Blick schweifte zur Tür und zurück. Vielleicht überlegte er, wie rasch seine Leute hereinstürmen konnten, wenn er nach ihnen rief.
„Entweder du bist einfältig oder tollkühn. Hängen! Wenn ich will, verlässt du nicht lebend meinen Hof.“
Wittiges zuckte gleichmütig die Schultern.
Theodo stieß einen Seufzer aus. „Was willst du wirklich?“
Mit einem flüchtigen Lächeln griff Wittiges nach dem Bierkrug, trank aber noch nicht. „Keine Anklage, falls wir uns einigen können.“
„Worauf?“, fragte Theodo lauernd.
Wittiges hob den Krug und trank scheinbar völlig entspannt. „Wirklich gutes Bier. Verrate mir bei Gelegenheit, wie du es braust. Was die Einigung betrifft: Ich erwarte, dass du die alten Grenzen anerkennst. Vor Zeugen. Du leistest einen Eid, dass du die Steine nie wieder antastest.“
„Vorausgesetzt, ich bin damit einverstanden und vorausgesetzt, die Steine stehen wirklich am richtigen Ort – was ist mit dem Korn, das bereits auf den Feldern wächst?“
Wittiges gestattete sich nicht, sich seine Erleichterung anmerken zu lassen. Er hatte gewonnen, blieb aber sachlich kühl. „Ich gebe mich mit dem Korn als Entschädigung für deinen Eingriff in meine Rechte zufrieden. Das scheint mir angemessen. Wann willst du den Eid leisten?“
„Das gesamte Korn?“
„Aber sicher“, mischte sich Pontus ein. „Was willst du mit so viel Korn?“
„Was ich mit dem Korn will?“ Auf Theodos Stirn wuchs unvermittelt eine Zornesader. Wahrscheinlich fühlte er sich von Pontus’ auf den Arm genommen.
„Dir fehlt eine Mühle. Wir haben eine“, ergänzte Pontus unbeirrt.
Ein Ruck ging durch Theodo. „Ihr setzt die Mühle wieder instand? Die unten an deinem Bach?“
„In spätestens vier Wochen ist sie fertig“, erklärte Wittiges großspurig. Noch wusste er nicht, woher er einen neuen Mühlstein nehmen sollte. „Aber du hast meine Frage nicht beantwortet: Warum hast du Felder bestellt, die dir nicht gehören?“
Theodo stöhnte auf und fuhr sich verlegen mit der Zunge über die Lippen. „Du sollst nicht denken, dass ich das Gesetz nicht achte“, begann er und linste forschend zu Wittiges herüber. „Aber es sind gute Äcker, und sie lagen schon viel zu lange brach.“ Die Erregung übermannte ihn erneut, und er hieb die Faust auf den Tisch. „Es ist mühsam genug, der gottverdammten Wildnis brauchbares Land abzugewinnen. Da sehe ich nicht ein, warum ich nicht nutzen soll, was bereits vorhanden ist. Oder wie siehst du das?“
„Vielleicht ähnlich“, bemerkte Wittiges vorsichtig. „Obwohl ich nicht glaube, dass dazu unbedingt das Versetzen von Grenzsteinen gehört.“
Theodo lachte unsicher und hob die Hände zum Zeichen, dass er sich geschlagen gab.
Einer Einigung stand nichts mehr im Weg. Sie kamen überein, dass Wittiges Zweidrittel des Korns behalten und das restliche Drittel Theodo gemahlen überlassen würde. Dieser würde sein übriges Korn nur zu gern zur Mühle bringen und dort gegen ein angemessenes Entgelt zu Mehl verarbeiten lassen. Wenig später ritt Wittiges mit dem schönen Gefühl zurück, einen großartigen Sieg errungen zu haben. In bester Laune und ein bisschen beduselt vom Bier kehrte er mit Pontus heim. Pontus sang lauthals, er hatte einen kräftigen, klangvollen Bariton.
Im Wohnhof warteten zwei Familien auf Wittiges. Die beiden Männer kannte er, von den Frauen nur die eine, die im Haus geholfen hatte. Alle, auch die Kinder, knieten nieder, sobald er auftauchte, und die Frauen begannen zu schluchzen.
„Was soll das? Was wollt ihr hier?“ Erst jetzt bemerkte er, dass auch Karl und ein weiterer Mann aus dem Dorf anwesend waren, sich aber ganz im Hintergrund hielten.
„Sie bitten darum, bleiben zu dürfen“, erklärte Aletha mit scheinbar unbeteiligter Stimme. Sie saß auf dem Brunnenrand, einen Strang ungebleichter Wolle und eine Kunkel in der Hand, auf die sie virtuos einen Faden spann. „Es sind die Familien, die du fortschicken willst.“
„Das sehe ich. Ich wüsste nicht, was sie hier noch zu schaffen haben.“
Die Männer rückten auf den Knien an ihn heran. „Bitte, Herr, lass uns bleiben. Schick unsere Kinder nicht in ein Elend, in dem sie umkommen müssen.“
Die kleineren Kinder verstanden sicher nicht, warum sie hier waren und
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