Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
besser hier.“
„Warum? Hast du mit Wittiges gesprochen? Ist er hier?“
Aletha warf einen nervösen Blick zur Stalltür. „Nein, das heißt, ich weiß nicht, wo er ist. Mehr kann dir nicht sagen, aber bitte, geh nicht in den Stall. Nicht jetzt!“ Sie griff nach seinem Ärmel, aber er riss sich los.
„Tut mir leid, aber ich warte nicht länger. Ich hab’s nämlich eilig.“ Forsch betrat er das Stallgebäude, schloss aber sofort die Tür hinter sich. Zugluft, hatte Wittiges ihm eingeschärft, war pures Gift für das kranke Fohlen. Vielleicht schlief es ja, und er wollte es nicht wecken. Beinahe lautlos öffnete die Tür zu dem Verschlag, wo es untergebracht war. Dämmerlicht herrschte. Beunruhige Geräusche drangen an sein Ohr, und was seine Augen wahrnahmen, sah nach Kampf aus. Nackte Haut blitzte auf. Zwei ineinander verschlungene Gestalten wälzten sich stöhnend neben dem reglosen Fohlen im Stroh. Als er endlich begriffen hatte, was vor sich ging, zog er sich taumelnd vor Entsetzen zurück.
Einen Augenblick lang lehnte er sich draußen im Stallgang an die Wand und atmete heftig aus und ein. Inständig wünschte er sich, der Aufforderung der Magd gefolgt zu sein und den Stall nicht betreten zu haben.
Im Hof wartete sie noch immer.
Ahnte sie etwas? War sie als Aufpasserin hier?
Er schlenderte an ihr vorbei, tat, als ob ihm gerade etwas einfiel, und wandte sich zu ihr zurück. Scheinbar enttäuscht schüttelte er den Kopf. „Ich hab Wittiges nicht gefunden und keine Zeit mehr, nach ihm zu suchen. Falls er auftauchen sollte, richte ihm doch bitte aus, dass ich mich für den Purpur von Josephus entschieden habe.“ Er staunte selbst, mit welcher Beiläufigkeit er seine Erklärung vorbrachte. Der verständnislose Blick des Mädchens entschädigte ihn ein bisschen für den heillosen Schrecken, den er gerade erlitten hatte. Innerlich zitterte er noch immer. Im Stall ging etwas Unaussprechliches vor. Etwas tödlich Gefährliches, von dem weder er, noch diese Magd, noch sonst jemand etwas wissen durfte. Und ein Mensch, den er zu kennen glaubte, hatte sich gerade als ein völlig Fremder entpuppt.
Beinahe wäre er in sein Quartier zurückgekehrt und hätte auf den Einkauf des Purpurs verzichtet. Aber dann besann er sich. Inzwischen kannte er sich recht gut in Marseille aus. Eine friedliche, heitere Geschäftigkeit erfüllte die Stadtviertel. Ein Hauch von Vorfrühling lag in der Luft. Von der See her blies ein lauer Wind, die Sonnenstrahlen spielten auf den hellen Mauern der prächtigen Häuser und ließen rote Ziegeldächer und weiße Marmorsäulen aufleuchten. Wie schon am Morgen befiel Alexander ein nie gekanntes, berauschendes Gefühl. Bei den Gesprächen mit den verschiedenen Händlern war man ihm mit selbstverständlichem Respekt begegnet. Seine gute Kleidung, sein vornehmes Auftreten war ihnen Empfehlung genug. Die Stadt lebte von den Fremden, die Waren oder Geld mitbrachten. Ein Westgote wie er war hier nichts Besonderes. Vorausgesetzt, er konnte sich in einer der Handelssprachen verständigen und zeigte Geschick im Feilschen, Kaufen und Verkaufen, dann verkehrte er mit diesen Menschen von gleich zu gleich. Obwohl fremd, war er einer von ihnen. So köstlich, so wunderbar fühlte sich also die Freiheit an. Zwar erinnerte sich Alexander flüchtig daran, sich Wittiges als Sklave angedient zu haben, war sich aber sicher, dass dieser in ihm einen Freund sah und kein Stück seines Eigentums. Auf ganz neue, überraschende Weise wurde er ein Mensch.
Nach einer köstlichen Stunde, in der er herumflaniert war und einige Male freundliche Grüße erwidert hatte, betrat er das Haus des griechischen Händlers.
Josephus war ein alter Mann, der sicher die Sechzig längst überschritten hatte. Er saß an einem Tischchen im Kontor, vor sich einen Diener, dem er mit leiser Stimme Anweisungen gab. Aber sobald er Alexander bemerkte, nickte er ihm zuvorkommend zu.
„Du hast dich also entschieden?“
„Ja, ich möchte für achtzig Solidi Purpur erwerben“, bestätigte Alexander überzeugter, als ihm zumute war.
Josephus stand auf. „Dann lass uns das Geschäft mit einem Becher Wein besiegeln. Ich habe syrischen hier, den feinsten Tropfen, den ich kenne und einem Handel mit der Königsfarbe Purpur angemessen. Das Geld hast du dabei?“, fragte er beiläufig.
„Selbstverständlich.“ Ein wenig aufgeregt, klopfte sich Alexander auf die Brust. Den Beutel mit dem Geld trug er an einem Lederband unter der Tunika. Er
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