Der Geliebte
und Niederländer mit einem Traum vor Augen und zwei linken Händen.
Er besaß inzwischen einen ziemlich neuen Landrover und wohnte in ganz fantastischer Lage, hatte er Eric erzählt, zwanzig Kilometer von uns entfernt, zusammen mit seiner Freundin.
Morgen würde er bei uns vorbeikommen. Und er ging davon aus, dass er in Kürze irgendwo anders Leute abziehen könnte, um bei uns zumindest einen Anfang zu machen, damit wir wenigstens schon einziehen konnten.
Es war gut zu wissen, dass endlich etwas passieren würde, dass unser Haus in Kürze nicht mehr nur unser Problem wäre, sondern dass auch andere Leute sich dafür verantwortlich fühlen würden. Sehnsüchtig wartete ich auf diesen Peter.
Weil der Boiler immer noch nicht funktionierte, waren wir gestern Abend zu einer Autobahn-Raststätte duschen gegangen. Für ein paar Euro konnte man dort minutenlang unter dem warmen Wasserstrahl stehen.
Das hatte uns allen gutgetan.
Als wir zurückkamen, erwartete uns der Monteur, den man Eric in der Bäckerei empfohlen hatte. Ein blauer Peugeot 407 stand vor dem Torbogen geparkt. Nach einer Stunde Herumgefriemel hatte der Mann unseren Boiler in Gang gebracht. Die befürchteten Explosionen waren ausgeblieben. Das Ding tuckerte zwar laut vor sich hin, und es stand eine leere Konservenbüchse darunter, um das Wasser aufzufangen, das heraustropfte. Aber zumindest mussten wir nicht mehr zur Autobahnraststätte, sondern konnten in dem alten Bad in der ersten Etage duschen.
Damit sah alles schon viel besser aus.
Ich ging durch die Diele nach draußen und reckte mich. Die Septembersonne war durchgebrochen und erwärmte nach und nach die feuchte Landschaft. Eric hatte das Unkraut im Hof abgemäht, nur vereinzelt lugten noch junge Grashalme hervor. Vögel und Grillen waren zu hören, sonst war alles ganz still und friedlich.
Ich ging auf den leeren Torbogen zu, eine Konstruktion aus großen, beigefarbenen Kalksteinen, durch die man auf den Hof gelangte. Eidechsen, die sich an der rauen Oberfläche festklammerten, streckten die Köpfe vor und wärmten sich in der Sonne. Als ich durch den Bogen hindurchging, verschwanden sie blitzschnell in den Mauerritzen.
Das Schönste an unserem neuen Zuhause war nicht einmal das Haus selbst, sondern das, was in den Maklerblättchen als vue panoramique angepriesen wurde. Es gab mehr kleine Gipfel, als ich zählen konnte. Ich ließ den Blick darüber schweifen, während ich vom Hof zu dem kleinen See hinunterging. Irgendwo in der Ferne tauchte inmitten von all dem Grün ein weißer Kirchturm auf. Noch etwas weiter entfernt sah ich verschwommen die Konturen eines Schlosses. Hoch über mir glitten große Raubvögel durch die Luft.
Ich drehte mich zum Haus um. Von der Sonne beschienen sah es jetzt freundlicher aus als zuvor. Ich versuchte mir vorzustellen, wie es wohl mit Fenstern und fröhlichen blauen Fensterläden aussehen würde. Mit Blumentöpfen voller rosa und roter Hängegeranien. Wenn der Hof nicht krumm und schief wäre wie jetzt, von Gras und Unkraut überwuchert, sondern schön ebenerdig, mit breiten Außentreppen, beigefarbenem Schotter, blau lackierten Blumenkübeln und einem Springbrunnen oder einer Wasserpumpe. Nicht zu vergessen einer steinernen Bank, auf der sich Gäste, die in der hiesigen Stille den Stress von sich abfallen lassen wollten, niederlassen konnten, um den Blick auf die Hügel zu genießen.
Zum ersten Mal seit Mai war ich wieder in der Lage, mir das bildlich vorzustellen.
Das Haus fing wieder an zu leben.
6
Von Korsen heißt es, dass sie, wenn sie einen Weg anlegen möchten, einen Esel vorangehen lassen. Die Hände in den Hosentaschen vergraben geht der Bauer hinter seinem Lasttier her. Auf der Strecke, die der Esel sich aussucht, wird der Weg angelegt. Es ist eine wenig schmeichelhafte Geschichte, die die angebliche Faulheit und Passivität der Inselbewohner zum Ausdruck bringen soll.
Er hieß Peter Vandamme, war sprachgewandt und wirkte auf den ersten Blick wie Anfang vierzig, war aber wohl doch ein bisschen älter. Er hatte braune Augen, genau wie Eric, und leicht lockiges, ergrauendes, kurz geschnittenes Haar. Dazu ein ovales Gesicht mit markanten Zügen. Peter garnierte seine Monologe mit französischen Ausdrücken, zwinkerte uns zu, gestikulierte viel und machte überhaupt den Eindruck, als käme er überall zurecht und hätte sich auch in Frankreich schon ziemlich gut eingelebt.
Peter war genau der rettende Engel, auf den ich gewartet
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