Der Geliebte
gemacht hatte, um irgendeinen ganz bestimmten Mickey-Mouse-Trinkbecher zu finden, den Isabelle unbedingt auf Klassenfahrt mitnehmen wollte, oder eine von Bastians Jacken, weil es für Anfang Juli doch noch ziemlich kalt war, kann ich gar nicht mehr sagen. Wir mussten Abonnements kündigen, Adressänderungen verschicken, einen Nachsendeantrag stellen. Zwischendurch erreichten uns E-Mails und Anrufe von niederländischen und französischen Maklern und Notaren, und potenzielle Käufer wollten unser altes Haus besichtigen, das den Kartonstapeln in allen Zimmern zum Trotz in letzter Minute doch noch verkauft wurde. Bekannte und Freunde, die Abschied nehmen wollten, rannten uns plötzlich die Tür ein, weil ihnen bewusst geworden war, dass wir in Kürze nicht mehr greifbar wären. Erics Brüder und seine Schwester, deren Ehepartner und Kinder, unsere Eltern, Onkel und Tanten, kurz, die gesamte Verwandtschaft kam zu der Überraschungsparty, die Miranda organisiert hatte. Die Lehrer von Bastian und Isabelle hatten in der Schule einen Frankreich-Tag mit gemeinsamem Abschiedsabend organisiert. Die Mitschüler hatten ein Bild gemalt und einen Brief geschrieben, und Isabelles Lehrerin hatte beides in ein Album eingeklebt, dessen Umschlag ein Klassenfoto zierte.
Die Nachbarn, der Postbote, die Kassiererin vom Supermarkt, sogar Leute, die wir kaum kannten, wirklich alle sprachen mich auf unsere bevorstehende Abreise an. Erst in diesen letzten Wochen wurde mir klar, wie viele Menschen wir zurückließen, wie viele Freunde, Verwandte und Bekannte immer für uns da gewesen waren.
In unserem neuen Leben würden wir allein zurechtkommen müssen. Im Umkreis von hundert Kilometern rund um unseren neuen Wohnort kannten wir niemanden, nicht mal oberflächlich. Ich hatte versucht, mir darüber nicht allzu viele Gedanken zu machen. Es erschien mir am besten, in die Zukunft zu schauen, auf unser neues Leben. Unser besseres Leben.
In der Zeit zwischen dem Ankauf und dem eigentlichen Umzug kam ich auch gar nicht zum Nachdenken. Es ging alles viel zu schnell. Das Menschenmögliche hatten wir getan, dann waren wir losgefahren.
Eric schenkte mir den letzten Rest Roséwein ein. Eine magere Bedienung mit blassem Gesicht und strähnigem Haar brachte uns geräucherte Putenbruststreifen mit einem dünnen Fettrand, überbackenen Ziegenkäse und knackigen Salat.
Ich stocherte lustlos darin herum und schaute nach draußen. Regen. »Willkommen in Südfrankreich«, rutschte es mir heraus.
»Es ist hier nicht umsonst so grün. Letztes Jahr in de Gers war alles gelb, weißt du noch? Da war es dir viel zu trocken.«
»Ja, ich weiß. Aber ich hasse Regen. Allmählich könnte es wirklich mal aufhören.« Ich sah Eric an, um seine Reaktion abzuschätzen, aber er war schon wieder von den Pages Jaunes in Beschlag genommen und machte sich Notizen auf der Rückseite eines Reklamezettels.
Ich spießte den letzten Rest Putenfleisch auf die Gabel und schaute nach draußen, zur gegenüberliegenden Straßenseite, wo gerade eine alte Frau mit einem Pudel aus der Boulangerie trat. Aus ihrer Einkaufstasche ragte eine Baguette. Sie schlurfte über das Trottoir davon, und ihr kleiner Hund lief tapfer neben ihr her.
»Entspann dich doch endlich mal, Simone.« Erics Stimme schien von ganz weit weg zu kommen. »Wir sind in Frankreich, zum Teufel noch mal. Laissez-faire. Warum hast du so wenig Vertrauen zu mir? Hab ich mich etwa jemals verschätzt bei solchen Sachen?«
Ich schüttelte bloß den Kopf und trank den letzten Schluck Wein.
Er meinte es ernst. Eric glaubte an die ganze Sache, das musste ich zugeben. Er lief nicht bloß einem Traum hinterher, sondern er glaubte tatsächlich daran.
Und ich stand ganz und gar hinter ihm. Warum? Ich weiß es nicht. Meine Freundinnen fanden es mutig, dass ich diesen Schritt wagte. Mumm, Courage, Mut, solche Worte fanden sie dafür. Ich selbst kam mir weit weniger heldenhaft vor. Eigentlich hatte ich kaum darüber nachgedacht. Eine unbesonnene Entscheidung, getroffen unter einer warmen Maisonne, auf einem Bett aus Gras und Blumen, und abgelöscht mit einer halben Flasche gutem Bordeaux.
Eine durchdachte Entscheidung? Nein. Eine mutige? Erst recht nicht. Ich bin aus Feigheit mitgegangen, vielleicht sogar aus Faulheit. Für Frauen wie mich ist die Ehe eine extrem praktische Angelegenheit.
Eric war fürs Denken zuständig, in diese Rolle war er hineingewachsen. Außerdem waren bei ihm Gehirn und Mundwerk perfekt koordiniert. Er
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