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Der Geliebte

Titel: Der Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
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Hauses keinen Schaden nahm. Sie sagte nichts, meine Mutter. Überhaupt nichts. Wie immer, wenn sie mit mir uneins war. Und das war oft der Fall. Indem ich ihrem Schweigen zuhörte, lernte ich dessen unterschiedliche Arten zu interpretieren.
    Ich sah vor mir, wie sie dastand und einen Strich unter die Aufzählung aller Unzulänglichkeiten dieses Hauses machte. Was dabei herauskam, war deutlich an ihrer Miene abzulesen.
    Komfort hatte meiner Mutter schon immer viel bedeutet. Jener Komfort, den sie selbst hatte entbehren müssen und den sie ihrer einzigen Tochter deshalb so sehr wünschte. Früher steckte sie mich immer in Kleider, in denen ich mich unwohl fühlte, und schleppte mich zu Tennisclubs und auf Hockeyplätze, wo sie wichtige Leute mit Söhnen in meinem Alter vermutete. Jener schweigende Groll, ein Zeichen ihrer Missbilligung, traf mich seit der Pubertät immer häufiger und länger. Endlose, stille Tage gab es viele in meinen Jugendjahren, die der Ehe mit Eric vorausgingen. Eric, der kein Prinz oder Immobilienmakler war, sondern die höhere Handelsschule besuchte und in einer Studentenbude wohnte. Ein altes Fahrrad, ein Ohrring und BAföG-Schulden. Erst ein Jahr, bevor wir heirateten, wurde mir klar, dass ich genau das tat, was meine Mutter von mir erwartete. Gerade noch rechtzeitig. Kurz vor ihrem Tod.
     
    Meine Finger strichen weiter durch die Wasserpfützen. »Du würdest es furchtbar finden, Mama«, flüsterte ich. »Du würdest es nicht begreifen.«
    Begriff ich es denn selbst?
    Eric näherte sich nun ebenfalls der Küche. Als ich seine Schritte auf dem Boden in der Diele hörte, richtete ich mich auf und vergrub die nassen Hände in den Taschen meines Trenchcoats.
    Ich drehte mich zu ihm um.
    »Ich hab mir gedacht«, sagte er, »dass wir vielleicht Ellen mal fragen sollten, ob die Kinder nicht noch ein paar Wochen bei ihr bleiben können.«
    Ellen war Erics ältere Schwester. Wir hatten die Kinder diese Woche bei ihr und ihrem Mann Ben untergebracht, um die Hände frei zu haben und die ersten Maßnahmen in die Wege leiten zu können.
    »Es wird noch Monate dauern, bis dieses Haus wieder bewohnbar ist«, antwortete ich mechanisch. »Ob sie nun gleich kommen oder erst in ein paar Wochen, macht auch nicht mehr viel aus. Weißt du, ich glaube, die werden hier richtig ihren Spaß haben. Die langen Flure, die vielen Zimmer, ein spannender Keller, die Turmkammer, der Froschteich - das muss doch ein richtiges Traumschloss für sie sein, ein Abenteuer. Tag für Tag können sie auf Entdeckungsreise gehen.«
    »Dann müssen wir aber zusehen, dass wir einen Wohnwagen bekommen. Ich glaube, ich habe noch kein einziges Zimmer gesehen, das trocken wäre. Das ganze Dach muss neu gemacht werden.«
    »Wir können doch in ein Hotel gehen.«
    »Simone, bitte, das dauert hier bestimmt ein halbes Jahr. Ich verspreche dir, ich kaufe einen Wohnwagen, der so groß ist, dass du gar nicht merkst, dass es einer ist.«
     

2
     
    Sechs Meter lang, zweieinhalb Meter breit. Cremefarben mit grünen Streifen an den Seiten, die hinter dem letzten Fenster einen Bogen machten und nach oben liefen. Innen eine U-förmige Sitzbank mit einem kleinen Tisch sowie eine Zwergendusche mit marmoriertem Linoleum auf dem Boden und an den Wänden. Eine Chemietoilette mit kaputtem Schloss, ein Spülbecken, ein Gaskocher mit zwei Flammen und vier Schlafgelegenheiten. Direkt daneben eine Satellitenschüssel auf einem Ständer.
    Ein richtiger Zirkuswagen.
    Es stand da und grinste mich mit seinen rauchfarbenen Plastikfenstern an, vom Dach bis zum Fahrgestell ein hässliches Monstrum. Es lachte mich aus, mit seinen mickrigen Wasserhähnen und schmalen Betten. Feixend stand es auf dem platt gedrückten Unkraut hinter dem Hauptgebäude. Es ist eine vorübergehende Lösung, sagte mir mein Verstand, und ich wollte vor allem nicht so schwierig sein. Schon gar nicht jetzt, wo die Sonne das Weite gesucht hatte und der anhaltende Regen mir deutlich zu machen versuchte, dass der Weg, den wir eingeschlagen hatten, steinig sein würde, nicht gepflastert oder asphaltiert. Ermutigungen aller Art, so klein sie auch sein mochten, konnten wir gut gebrauchen, wenn wir diese Sache als Familie unbeschadet überstehen wollten.
    Von dem zentralen überirdisch verlegten Kabelnetz führte eine Abzweigung zu jener Ecke unseres Hauses, die der Straße am nächsten lag, und verschwand dort in einem geheimnisvollen grauen Kunststoffkasten. Wenn ich die Schalter in der Diele und in

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