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Der Geliebte

Titel: Der Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
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wollen mich verhören. Jetzt ist es so weit.
    Es riecht nach Kaffee. Der Geruch ist so widerlich, dass ich das Gesicht verziehe und würgen muss. Die Anspannung hat meinen Körper völlig durcheinandergebracht.
    Der Polizist bleibt stehen, vor einer Tür auf der rechten Seite. Er öffnet sie und bedeutet mir mit einem kurzem, herrischen Nicken, dass wir an unserem Ziel angekommen sind.
    Ich gehe hinein.
     

28
     
    Dienstagvormittag, Viertel vor zwölf. Im Ofen standen zwei Schalen mit Sauerkrautauflauf, dessen Rand langsam knusprig wurde. Ich hatte mir einen Bodywarmer über den Pullover gezogen, war aber immer noch völlig durchgefroren. Es schien, als atmeten die Wände selbst Frost aus.
    Peter war oben bei der Arbeit. Ich hörte, wie er mit der Stimme gegen den Lärm des Fliesenschneiders anzukommen versuchte. Seine Anwesenheit machte mich enorm nervös. Nach unserer gestrigen Konfrontation war ich heute auf einiges gefasst. Meine Hände zitterten schon seit Tagen. Die Kinder fertigte ich ständig mürrisch ab, nur um mich hinterher ausgiebig bei ihnen zu entschuldigen. Essen konnte ich auch fast nichts mehr. Bestimmt hatte ich schon enorm abgenommen.
    Das Geratter des Fliesenschneiders verstummte. »Jungs, Essen ist fertig - manger !«, rief ich nach oben.
    Mit dem weißen Staub, der in die Diele gerieselt kam und aussah wie Sprühregen, drangen auch ein paar Antworten zu mir herunter.
    Ich nahm zwei Handtücher, um die dampfenden, glühend heißen Schalen zum Tisch zu bringen. Die Teller hatte ich in eine Schüssel mit warmem Wasser gelegt, um sie warm zu halten. Ich trocknete sie flüchtig ab, stellte sie auf den Tisch und nahm noch zwei Flaschen Wasser und einen Orangensaft aus dem Kühlschrank. Um etwas zu tun zu haben, spülte ich schon mal ein paar Töpfe ab. Die Jungs kamen einer nach dem anderen in die Küche, um sich die Hände zu waschen. Peter war einer der letzten, mit Eric im Schlepptau.
    Erst als sich schon alle an den Tisch gesetzt hatten, ging ich in die Diele zurück. Peter saß neben Eric, die Antoines einander gegenüber, und neben Louis war noch ein Platz frei.
    Ich wartete, bis alle anderen sich aufgetan hatten, bevor ich mir selbst etwas nahm. Den Saft wagte ich nicht anzurühren, weil meine Hände so stark zitterten, dass ich bestimmt etwas verschüttet hätte.
    Zunächst entspann sich ein zähes Gespräch über die Fortschritte der Arbeiten an unserem Haus. Dann erzählte Pierre-Antoine ein paar Anekdoten von anderen Baustellen, auf denen Antoine und er im letzten Jahr gearbeitet hatten.
    Nichts Aufsehenerregendes.
    Als von dem Essen fast nichts mehr übrig war, ging ich in die Küche, um Kaffee aufzusetzen.
    Bei meiner Rückkehr hatten sie das Thema gewechselt. Ein kalter Schauder lief mir über den Rücken, als mir klar wurde, worum es ging: Ehen und Beziehungen mit großen Altersunterschieden.
    »Paare mit besonders großem Altersunterschied«, sagte Eric, »gibt es in unserem Bekanntenkreis gar nicht, glaube ich.«
    »Ich kenne eines«, sagte Louis. »Ein guter Freund von mir hat eine Frau, die zehn Jahre jünger ist.«
    »Funktioniert das?«, fragte Pierre-Antoine.
    Louis legte Messer und Gabel weg und zog eine zerknüllte Tabakpackung aus der Seitentasche seiner Hose. »Bei den beiden schon. Er ist schon immer ein bisschen ado gewesen. Nie erwachsen geworden.«
    Mit ado meinte er adolescent , ein Wort, das hier ständig überall zu hören war und Jugendliche zwischen zwölf und etwa achtzehn Jahren bezeichnete. Sowie Erwachsene, die sich unreif benahmen.
    »Man sieht das aber häufig«, bemerkte Antoine, »Männer mit jüngeren Frauen. Andersherum kommt es nicht so oft vor.«
    »Madonna hat doch dauernd Männer, die viel jünger sind als sie«, sagte Pierre-Antoine.
    »Die führt auch kein normales Leben.«
    »Kennst du jemanden, der ein normales Leben führt?«
    Antoine zuckte mit den Schultern. »Jedenfalls niemanden mit so viel Geld.«
    Unwillkürlich fing ich an zu rechnen. Ich wusste nicht, wie alt Michel war. Es war nie zur Sprache gekommen, und ich hatte ihn nie gefragt. Ich schätzte ihn auf etwa zwanzig, womit er zehn Jahre jünger wäre als ich. Wenn ich richtiglag, war er gerade erst zur Welt gekommen, als ich schon zum ersten Mal alleine zu Popkonzerten durfte und meinen ersten Freund küsste. Unglaublich.
    »Wie weit seid ihr beide eigentlich auseinander?«, fragte Peter plötzlich Eric. Ganz kurz sah er mich an, was niemand bemerkte, aber mich noch wachsamer machte,

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