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Der Geliebte

Titel: Der Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
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komplette Idiotin im Regen stehen ließ, an dem trostlosesten Ort, den ich mir vorstellen konnte. Ich konnte mir gut ausmalen, wie er sein Bier hob, lachte, mit Bruno scherzte.
    Ich sah noch einmal auf die Uhr. Viertel nach drei.
    Er würde nicht mehr kommen.
    Ich ging zurück zum Auto, zwischen Gefühlen aller Art völlig hin- und hergerissen. Enttäuschung, Wut, Trauer.
    Scham.
    Erst beim Einsteigen dachte ich wieder an die Einkäufe.
    Meine Familie freute sich auf einen geselligen Abend.
     

27
     
    Peter hatte beim Essen wenig gesagt. Und wenigstens nichts, was mich in Verlegenheit gebracht hätte. Mit einem Scheuerschwamm schrubbte ich die angebackenen Reste aus der Bratpfanne, während ich Peter und Eric in der Diele ihre Geschäfte abwickeln hörte. Die beiden saßen an dem großen Gartentisch, die Jungs waren wieder bei der Arbeit. Aus dem Augenwinkel sah ich Eric ein paar Hunderter abzählen. Noch etwa fünf Minuten, dann wäre Peter wieder weg. Dann könnte ich wieder eine Woche lang frei atmen.
    Ich hatte mir ganz umsonst den Kopf zerbrochen, ganz umsonst in der Nacht kein Auge zugetan.
    Ich ließ noch einmal kochend heißes Wasser in die Pfanne laufen, tat einen Schuss Spülmittel dazu und stellte sie auf der Spüle ab. Ich musste sie einweichen, sonst wurde das nie etwas. Die Menge an Geschirr, die ich jeden Mittag spülen musste, war erstaunlich. Zu den ersten Geräten, die ich benutzen würde, wenn wir demnächst eine richtige Küche hätten, gehörte auf jeden Fall eine Spülmaschine.
    Ich hörte Eric die Treppe hinaufgehen. Oben fing jemand an, Fliesen zu schneiden. Die Maschine kreischte und knatterte so laut, dass sie das Radio übertönte.
    Plötzlich stand Peter hinter mir.
    Ich erschrak, fing mich aber schnell wieder. Wie gewöhnlich drehte ich mich um, in der Erwartung, dass er mit seinen großen Händen meine Oberarme umfassen, mich dreimal nachdrücklich zum Abschied küssen und » au revoir « sagen würde.
    In seinen Augen war eine sonderbare Glut, die mich beunruhigte. Er sagte kein Wort, sondern blieb einfach nur stehen, ganz dicht vor mir. Um die Situation zu entspannen, ergriff ich selbst die Initiative und hielt ihm meine Wange hin.
    Als ich seine Hand auf meiner Hüfte spürte, seine Finger, die sich langsam nach oben, zu meiner Taille vortasteten, blieb ich im ersten Moment wie angewurzelt stehen. Dann wich ich zurück, als hätte er mir in die Magengrube geschlagen.
    Eindringlich, fast schon spöttisch sah er mich an. »Sonst stellst du dich doch auch nicht so an, oder?« Er hatte ganz leise gesprochen, aber mit einem nicht zu überhörenden drohenden Unterton. Er tat einen Schritt vor und drängte mich dabei an die Spüle in meinem Rücken.
    Oben ging das Gesäge und Gesinge weiter, als wäre nichts geschehen.
    Er grinste. »Oder stehst du vielleicht eher auf unerfahrene kleine Jungs als auf echte Männer? Hast du vielleicht Angst, Simone? Vor echten Männern?«
    Das Herz schlug mir bis zum Hals. Was sollte ich tun? Ihn schlagen? Ihm das Knie in den Schritt rammen? Schreien? Eric rufen? Wenn Eric mich hörte, würde Peter ihm erzählen, was er gesehen hatte, und wenn ich nichts tat, machte er vielleicht weiter. Peter sah mich an. Sein Gesichtsausdruck hatte etwas Wahnsinniges an sich. Mein Gott, er wollte mich doch wohl nicht …
    Ich konnte mich kaum rühren. Mein Magen verkrampfte sich, und mein Atem ging schneller.
    Herrisch umklammerte Peter mit der Hand meinen Kiefer und hielt mich unnötig brutal fest. Dann zog er mich an sich und küsste mich mitten auf den Mund.
    »Tschüss, Mutter Theresa, bis zum nächsten Mal.« Er wandte sich ab und ging auf die Diele zu. Im Türrahmen drehte er sich noch einmal um.
    Energisch wischte ich mir mit dem Ärmel über den Mund. Demonstrativ.
    »Ach ja … vielleicht arbeite ich hier morgen noch mal einen Tag mit.«
     
    Wir saßen in unserem provisorischen Wohnzimmer. Die Kinder lagen im Bett. Im Fernsehen lief eine englische Serie über zwei Freunde - einer davon ein indischer Sikh -, die in den Bergen der Ardèche ein Haus gekauft hatten, eine totale Bruchbude. Eric trank einen roten Bordeaux und gab zu allem, was die beiden taten, zu jedem Fehler, den sie machten, seinen Kommentar ab. Der elektrische Ofen glühte. Draußen war es dunkel und sehr stürmisch.
    Eric hatte ständig ein Grinsen im Gesicht, und als die französischen Arbeiter, die die englischen Freunde sich gesucht hatten, eines Morgens einfach nicht mehr auftauchten, brach

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