Der Geliebte
Peter und Claudia, aber ich glaube, da habe ich euch nicht vorgestellt.«
Eines musste man ihr lassen, Lucy hatte ein tadelloses Gedächtnis.
Ich reichte Jack die Hand. Er sah freundlich aus: sanfte Gesichtszüge und feines, beinahe weißes Haar.
Rita sprang auf. Sie beließ es nicht bei einem Handschlag, sondern beugte sich weit über den Tisch, um mir auf beide Wangen einen Kuss zu geben.
»Wie schön, und was für ein Zufall, dass du hier bist. Möchtest du auch Kaffee? Espresso, Café au lait? Cappuccino würde ich dir nicht empfehlen, den können sie hier nicht. Da tun sie dir ein bisschen kalten Kaffee in ein Glas und füllen es mit Schlagsahne auf.«
»Dann gern einen Espresso«, sagte ich matt.
Der Vierte in der Runde war ein etwa Vierzigjähriger mit hoher Stirn und lichtem Haar, der sich als Ben vorstellte, Ritas Mann, und in seiner Jacke dasaß. Auch er hatte die französischen Begrüßungskussgewohnheiten übernommen.
Endlich konnte ich mich setzen. Die Bedienung, ein hageres Mädchen mit dunkelbraunem Pferdeschwanz, nahm die Bestellung auf.
»Magst du was Süßes?«, fragte Lucy.
Ich nickte.
Sie bestellte noch etwas dazu, das ich nicht verstand.
»Kommt ihr mit der Arbeit voran?« Vier Augenpaare sahen mich erwartungsvoll an.
»Zumindest schlafen wir mittlerweile im Haus«, sagte ich. »Wir haben ein provisorisches Wohnzimmer und ein Bad, und die Schlafzimmer sind auch schon fertig.«
»Das ist wirklich ein Fortschritt«, quasselte Lucy. »Und, wie war es, wieder im eigenen Bett zu schlafen?«
Ich rang mir ein Lächeln ab. »Na ja, der Wohnwagen war nicht gerade der größte Luxus.«
»Aber manchmal ist das ganz gut, denke ich«, sagte Ben. »Wenn man eine Weile kein kuscheliges Nest zum Schlafen gehabt hat, kein warmes Wasser, keine Heizung und so weiter, dann lernt man die kleinen Annehmlichkeiten wieder mehr zu schätzen.«
»In den ersten Wochen vielleicht«, meinte Jack, »aber mal ehrlich: Man gewöhnt sich auch schnell wieder daran.«
Lucy nahm der Bedienung den Kaffee ab und stellte ein riesiges Schaumgebäck vor mich auf den Tisch. »Meringue«, sagte sie. »Wundervoll. Ich könnte die Dinger den ganzen Tag lang essen, aber das macht mein Magen nicht mit. Meine Waage übrigens auch nicht. Schon mal probiert?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Dann mal los, es ist wirklich lecker, sehr süß.«
Es war tatsächlich extrem süß und bestand anscheinend lediglich aus geschlagenem Eiweiß und Zucker, sonst nichts. Das rosafarbene Teilchen zerbröselte gleich beim ersten Hineinbeißen, man konnte es gar nicht essen, ohne zu krümeln. Im Nu waren meine Finger klebrig, und beim Zubeißen spürte ich, wie die Zuckerglasur von meinen Zähnen absprang.
»Wie sieht es denn bei euch mit der Heizung aus?«, hörte ich Ben fragen.
Ich sah auf, aber die Frage war nicht an mich gerichtet.
»Es ist ein Typ mit Solarzellen vorbeigekommen und jemand mit so einer Art Erdwärmeheizung. Eigentlich eine gute Sache, man hat später so gut wie keine Kosten mehr und braucht sich nicht weiter drum zu kümmern. Aber es ist einfach zu teuer. Der mit der Erdwärme wollte zwanzigtausend haben, der andere ist noch am Rechnen. Und weil wir hier nicht steuerpflichtig sind, bekommen wir auch keinen Zuschuss. Also bleiben wir vorläufig noch bei Holz und Öl.«
»Wie heizt ihr eigentlich?«, fragte Rita mich.
»Momentan noch mit elektrischen Öfen. Einen Kessel haben wir zwar schon, aber mit dem ist Eric noch nicht fertig.«
»Das ist aber teuer, pass da lieber ein bisschen auf«, sagte Rita. »Mir kam letzten Februar eine Rechnung über 700 Euro ins Haus geflattert - nur für Strom.«
»Da war es aber auch extrem kalt«, ergänzte Lucy.
»Wasser ist hier auch teuer«, meinte Ben. »Lässt man einmal das Schwimmbad volllaufen, sieht man das sofort an der Rechnung.«
»Wir haben eine Pumpe mit einem Generator am Brunnen stehen, da holen wir das meiste Wasser her«, sagte Jack. »Das ist so gut wie umsonst. Bis auf den Diesel für den Generator.«
Ich sah mich in der Runde um. Eigentlich fand ich es wundervoll, mich mal wieder unterhalten zu können, ohne jedes Wort auf die Goldwaage legen und mich bei den Substantiven fragen zu müssen, ob sie weiblich oder männlich waren, in der Einzahl oder der Mehrzahl stehen mussten, während ich zugleich die Konjugationen und Verben, aus denen ich mir die richtigen herauspicken musste, in einem Affenzahn an mir vorbeisausen sah. Aber auch hier in dieser Runde konnte
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