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Der Geliebte

Titel: Der Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
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ich nicht über das sprechen, was mich wirklich beschäftigte. Darüber konnte ich mit niemandem reden.
    »Seid ihr zufrieden mit den Arbeitern?«, fragte Rita mich.
    »Äh … ja. Es ist jetzt ziemlich ruhig geworden, jetzt sind nur noch die beiden Antoines und Louis bei uns. Peter ist auch nicht mehr da. Er hat zwei neue Aufträge irgendwo anders.«
    »Davon hab ich gehört«, sagte Rita. »Er wollte ein Landhaus in der Gegend von Libourne restaurieren. Und Freunde von ihm haben ein paar Hektar Bauland im Baskenland gekauft, wenn ich mich recht entsinne. Es scheint dort sehr schön zu sein.«
    Ganz vorsichtig erkundigte ich mich: »Hast du noch viel Kontakt zu Peter?«
    »Nicht wirklich. Er hat auch viel zu tun, weißt du, er kann schlecht mit all seinen ehemaligen Kunden ständig Kontakt halten. Aber man läuft sich hier immer wieder über den Weg. Jeder weiß genau über den anderen Bescheid. So weitläufig die Gegend auch sein mag, letztlich ist es doch wie auf dem Dorf. Erst recht unter den Ausländern. Wenn man ein paar Leute kennt, bleibt man über die wichtigen Neuigkeiten fast schon tagesaktuell auf dem Laufenden.«
    Lucy pflichtete ihr bei und erzählte eine Geschichte über englische Auswanderer, die Streit mit dem örtlichen Bürgermeister bekommen hätten und deren Campingwagen jetzt zum Verkauf stand. »Habt ihr eigentlich im Hinblick auf das Wasser schon etwas unternommen?«, fragte sie mich.
    »Im Hinblick auf das Wasser?«
    »Hier in der Gegend enthält es fast dreißig Prozent Kalk. Hast du das noch nicht gemerkt? Es ist fast schon kriminell, man zahlt sich dumm und dämlich für Wasser, das man nicht mal trinken kann und das einem sämtliche Geräte kaputt macht. Wir haben so einen Typen kommen lassen mit einer Wasserreinigungsanlage, einer Art Filter. Das funktioniert sehr gut. Wenn du willst, gebe ich dir die Adresse. Auf den kann man sich verlassen.«
    »Was habt ihr dafür bezahlt?«, fragte Rita.
    »So um die dreitausend.«
    »Das war bei uns ein bisschen teurer.« Sie vergewisserte sich bei Ben. »Fünftausend, oder?«
    »Ich weiß nicht mehr, kann sein.«
    Mir wurde klar, dass ich bereits vollauf damit beschäftigt war, mir in einem fremden Land ein neues soziales Netzwerk aufzubauen. Die Leute hier am Tisch kamen mir eigentlich alle ganz nett vor. Und sie akzeptierten mich vorbehaltlos, allein schon weil ich auch aus den Niederlanden kam und wir eine gemeinsame Vergangenheit hatten. Alle hatten wir hier in derselben Region unsere Häuser vom selben Bauunternehmer sanieren lassen. Aber mein Kopf war bereits so voll, dass darin schlicht kein Platz mehr für Einzelheiten aus dem Leben anderer war. Ich musste mich enorm zusammenreißen und zusehen, dass ich so schnell wie möglich hier wegkam, bevor ich noch zu heulen anfing oder mir irgendetwas Fatales rausrutschte.
    Abrupt stand ich auf. »Ich muss los. War nett, euch zu treffen.«
    »Jetzt schon?«, fragte Rita. »Mädchen, bleib doch sitzen, du bist hier in Frankreich!«
    »Ich muss noch für die ganze Mannschaft kochen.« Ich warf einen hastigen Blick auf meine Armbanduhr. »Bis zwölf schaffe ich das sowieso schon nicht mehr.«
    Dafür hatten sie Verständnis. Peter hatte sie alle gut erzogen.
    Rita zog einen kleinen Kalender aus der Tasche und kritzelte schnell ein paar Zeilen auf ein Blatt, das sie herausriss und mir hinhielt. »Schau doch mal vorbei.«
    Ich steckte den Zettel ein.
    »Kommst du nächsten Montag wieder?«, fragte Lucy. »Dann kannst du den Jungs ja einen Auflauf in den Ofen stellen. Oder du lässt ein paar Pizzen für sie da. Das hab ich auch öfter gemacht. Von Peters Gequatsche über das Essen brauchst du dich nicht verrückt machen zu lassen. Du musst auch noch mal erzählen, wo genau ihr eigentlich wohnt, jetzt bin ich nämlich richtig neugierig geworden.«
    »Mach ich«, sagte ich. »Beim nächsten Mal.«
     
    Als ich über die kurvenreiche zweispurige Straße zurückfuhr, brachen die Schleusen, und die Tränen liefen mir sturzbachartig über die Wangen. Ich versuchte nicht einmal mehr, sie zurückzuhalten.
    Ich hatte mein Bestes getan, all die Gefühle, die mich innerlich zerrissen, möglichst zu verdrängen. Sie ganz tief zu vergraben, sodass niemand sehen konnte, was wirklich in mir vorging.
    Jetzt gelang mir das nicht mehr.
    Heute früh waren Erics Eltern abgefahren, zwei Menschen, für die ich mir unter normalen Umständen alle Zeit der Welt genommen, um die ich mich liebevoll und sorgsam gekümmert hätte.

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