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Der Geliebte

Titel: Der Geliebte Kostenlos Bücher Online Lesen
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hoffen, dass ich Peter alleine antreffen würde.
    Aber gleich würde ich es wissen.
    Ich parkte neben Peters Landrover und stieg aus. Meiner Entschlossenheit zum Trotz zitterten mir die Hände.
    Zu klingeln brauchte ich nicht. Noch ehe ich das Treppenpodest erreicht hatte, erschien Peter im Türrahmen. Er trug eine Bundfaltenhose und ein rotes Sweatshirt mit V-Ausschnitt.
    »Mit dir hatte ich schon viel eher gerechnet«, sagte er. »Komm rein.«
    Drinnen war es dunkel. Auf dem glänzenden Holzboden knarrten unsere Schritte. Im Wohnzimmer deutete er auf das Sofa.
    »Setz dich doch. Möchtest du etwas trinken?«
    »Nein, merci .«
    Bei der Anrichte schenkte er sich selbst ein Glas Whisky ein. Unsicher sah ich mich um. Das Haus sah völlig anders aus als bei dem Fest, so ganz ohne Leute, Musik, Kerzen und Lampions. Es herrschte eine düstere, fast schon unheimliche Stimmung. Der dunkelrote Samtbezug des Sofas war verschlissen, der Couchtisch staubig, auf dem Lack zeichneten sich Ringe ab. In einer Mauernische standen verwelkte Blumen in einer leeren Vase mit Kalkablagerungen.
    »Ihr habt es wirklich schön hier«, sagte ich, um das Eis zu brechen. Schließlich hielt er hier die Zügel in den Händen, nicht ich.
    Peter brummte etwas in seinen nicht vorhandenen Bart und drehte sich zu mir um. Sein Gesicht konnte ich fast nicht erkennen, weil durch die ockerfarbenen kleinen Fenster so wenig Tageslicht kam.
    »Als ich hier vor sieben Jahren gelandet bin, war dieses Haus eine Ruine. Ein verfallenes kleines Palais, mit ein paar morschen, eingestürzten Nebengebäuden. Nichts wert. Die ganze Region war zurückgeblieben. Es gab keine Arbeit, keine Geschäfte, alle zogen hier weg. Ich habe es für den Grundpreis bekommen. Das Geld für den Kauf und die Sanierung hab ich mir von einem Freund geliehen, ich selbst hatte nämlich nichts. Keinen Franc, riens .« Peter drehte sich zum Fenster um und schaute nach draußen.
    Ich hielt die Luft an, wagte kaum noch, mich zu rühren.
    Dies war eine Einleitung. Aber zu was? Peter hatte dieses Gespräch eindeutig besser vorbereitet als ich.
    »Es gibt Leute, denen es besser ergeht«, bemerkte er und nahm einen Schluck von seinem Whisky. »Die haben ihr Haus in den Niederlanden oder England verkauft und dabei einen fetten Gewinn gemacht. Die kaufen von ihrem eigenen Geld hier eine Bruchbude und lassen sie von Leuten wie mir in Schuss bringen. Alles ohne Darlehen, als ob es bloß Peanuts wären. Überleg mal, wie reich man dafür sein muss. Jedenfalls um einiges reicher, als ich damals war.«
    Peter sprach nicht von irgendwelchen allgemeinen Verhältnissen, sondern das Ganze war auf uns gemünzt. Wir hatten unser Haus in den Niederlanden tatsächlich mit so viel Gewinn verkauft, dass wir in der Lage gewesen waren, unser hiesiges bar zu bezahlen. Und dann war noch genug für die Sanierung übrig geblieben. Selbst wenn wir im ersten Jahr noch keine Gäste für unsere chambres d’hôtes hätten, würde das nicht viel ausmachen. Woher wusste Peter eigentlich, dass wir für das Haus und die Sanierung keinen Kredit aufgenommen hatten? Hatte Eric ihm das gesagt? Gut möglich. Zugleich fragte ich mich, was wir Theo und Betty eigentlich genau erzählt hatten. Auch mit ihnen hatten wir über Geld gesprochen, soweit ich mich entsinnen konnte.
    Peter breitete die Arme aus, als wollte er den Raum umfassen. »Dieses Haus, Simone, ist mein kleines Schloss, mein Heimathafen. Hier will ich alt werden. Ich habe in meinem Leben Dinge getan, die …«, er seufzte und spitzte bedächtig die Lippen, sah mich aber immer noch nicht an. »… Sagen wir mal: Ich habe ein bewegtes Leben hinter mir, und hier habe ich endlich Ruhe gefunden. Nach all den Jahren. Ich bin durch Schaden klug geworden, durch Schaden und Schande, genauer gesagt. Mit der Schande kann ich leben, aber der Schaden … ja, der Schaden wiegt schwerer.«
    Er unterbrach sich und nahm einen Schluck von seinem Whisky. Schwenkte die Flüssigkeit im Glas. Meine Augen hatten sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt. Erst jetzt fiel mir auf, wie müde er aussah. Er hatte Ringe unter den Augen und Falten im Gesicht, die ich bislang nicht an ihm bemerkt hatte.
    »Was bezahlt ihr uns eigentlich für unsere Arbeit? Fünfzehn Euro die Stunde?«
    Ich reagierte nicht. Es war eine rhetorische Frage, er erwartete keine Antwort. Peter hielt einen Monolog.
    »Habt ihr den Klempnern und sonstigen Handwerkern in den Niederlanden auch so viel bezahlt?«
    Worauf wollte

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