Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
schlank und erholt und braungebrannt – nein, wirklich, kein Vergleich mit letztens, wo ich doch noch recht übergewichtig wirkte und auch gestresst und unausgeschlafen und einfach unvorteilhaft. Ich sähe glatt zehn Jahre jünger aus, schmeichelte sie mir. Oder sogar zwanzig!
»Wir werden eine Internetseite mit diesen Fotos einrichten!« jubilierte sie. »Zwanzig Jahre jünger! Und das alles durch ›Wört-Flört-Tört‹! Der Riegel für Verliebte! Das wird den Bönninghausen freuen!«
Hahaha, dachte ich, wenn du wüsstest, woran das liegt!
Aber wenn das so wäre, wenn ich wirklich zwanzig Jahre jünger wäre, würde Emil mich ja heiraten. Aber nur dann. Na, ich wollte sowieso nicht noch einmal geheiratet werden. Ich war ja verheiratet gewesen. Das musste überhaupt nicht noch mal sein.
»Jetzt werden sie dich lieben«, schnaufte Oda-Gesine und wallte vor mir her. »Alle werden sie dich lieben. Die Alten tun es sowieso schon, aber die Jungen, die Zuschauerschicht zwischen vierzehn und neunzehn, die werden dich überhaupt erst zur Kenntnis nehmen!«
Oh, vielen Dank, liebe Oda-Gesine, aber ich wurde soeben zur Kenntnis genommen. Von einem Vertreter der Generation dieser Zuschauerschicht. Und zwar nicht, weil man mich völlig trendy und girliemäßig gestylt hätte. Sondern einfach so. Als Mensch hat der mich zur Kenntnis genommen.
»Wir setzen dich ins rechte Licht, und gerade der ›stern‹ hat eine so hohe Akzeptanz, du bist ja in bester Gesellschaft, der Karl will alle wichtigen TV-Frauen in Deutschland ablichten, alle sexy und frech in Szene setzen, und bei dir ist es ihm ungeheuer wichtig, dass er mal dieses Muttiklischee durchbricht, deswegen will er dich ganz als Businessfrau, im schlichten Zweireiher und im Minirock, das kannst du dir doch jetzt wieder leisten, und die Haare werden wir ganz einfach und natürlich stylen, wirst sehen, der neue Maskenbildner wird dir gefallen … Und wir haben uns überlegt, wir tun dich in eine total lebendige Kulisse ’neisetzen, nämlich mitten in ein belebtes Café …«
Sie redete ohne Punkt und Komma, während sie mich in einen gläsernen Aufzug schob. Sie schien schrecklich nervös zu sein. Ja, war denn dieser Karl Lagerfeld für sie genauso eine Autoritätsperson wie Herr Bönninghausen? Schade eigentlich, dachte ich, dass Frauen wie Oda-Gesine, die doch so losgelöst sind von allen Schönheitsidealen und äußerlichen Zwängen, sich noch so abhängig machen von Männern mit Giraffenkrawatte oder Pferdeschwanz. Schade.
Der gläserne Aufzug hielt im fünften Stock. Wir befanden uns in einem Dachcafé mit Blick auf das Münchner Rathaus. Unten auf dem Platz wimmelte es von lebensfrohen Leuten mit Federhut und Lederhose. Es drang leise Musik herauf von der Trachtengruppe, die sich da unten aufgebaut hatte.
»Magst was essen?«, fragte Oda-Gesine hektisch. Sie hatte wie immer etwas zwischen den Zähnen.
»Nein«, sagte ich. »Ich faste.«
»Ach ja, richtig, du isst ja nix. Wie du das nur aushältst. Ich könnt das nicht mehr. Aber gewirkt hat’s phantastisch. Wenn du noch vier Wochen so weitermachst, bist du gar nicht mehr da … Aber ’n Champagner magst schon?«
Gott, war die Oda-Gesine nervös. Dabei war Karl Lagerfeld noch nicht zu sehen. Meiner Erinnerung nach war das ein älterer Herr mit Pferdeschwanz, und so einen gab es hier nicht. Außer ein paar sehr gelangweilt herumsitzenden Cafebesuchern war hier niemand, und schon gar nicht jemand Wichtiges.
»Nein danke, Oda-Gesine, auch keinen Champagner.«
Oda-Gesine ließ ihre Massen auf das Stühlchen fallen. Auf dem Tisch stand ein Körbchen mit »Wört-Flört-Törts«. Das fiel gar nicht weiter auf, das gehörte zu Oda-Gesine wie das wallende Gewand und das Grüne zwischen den Zähnen.
»Aber ich brauch jetzt ganz dringend was zu trinken, Schätzchen. Herr Ober?«
Oda-Gesine bestellte Champagner für sich und Mineralwasser für mich und für sich eine Schweinshaxe mit Blaukraut und Knödel. Na bitte, dachte ich, das Blaukraut wird sich optisch gut zwischen ihren Zähnen machen. Oda-Gesine wollte gerade in ein »Wört-Flört-Tört« beißen, da klingelte ihr Handy. Mein Gott, wie busy! Die Leute guckten.
»Halt mal«, sagte Oda-Gesine und drückte mir den Nougatriegel in die Hand. »Ja?«, brüllte sie ins Handy, als hätte sie noch nie eines bedient. »Bist du’s, Karl? Ja, wo steckst du denn? Die Karla ist jetzt hier! Du, sie sieht phantastisch aus! Ganz schlank und jung und girliemäßig, du,
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