Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
auch das Handy.
»Zumutung!«, schrie ein Opa am Nebentisch, der mit seinem Enkelkind einen Schokolümmel lutschte. »Handys sollten in Restaurants verboten sein!«, rief der Großvater zornig.
Hatte der nicht auch so ein Kästchen unter dem Hemd? Ja, waren die hier alle verkabelt?
»Find ich auch«, sagte ich. »Ist auch nicht meins!« Das wissen die, dachte ich. Das wissen die alle. Hier wird nur was gespielt.
»So gehen Sie doch endlich ran!« Nebenan die älteren Damen grollten mir auch. Alle aßen »Wört-Flört-Törts«. Die Damen sogar mit Messer und Gabel.
Ich wurde rot. Hastig nahm ich das Handy.
»Hier ist Karl noch mal!«, rief eine Männerstimme. »Ich kann euch beim besten Willen nicht finden. Meine Maschine nach Paris geht in zwei Stunden, und ich will unbedingt vorher das Shooting machen …«
»Herr Lagerfeld? Kommen Sie doch einfach her! Ich bin im gläsernen Café gegenüber vom Rathaus!«, schrie ich, und dann knackte es wieder und tutete, und plötzlich begann die Rolltreppe zu rollen, und der Springbrunnen, der bis jetzt friedlich vor sich hin geplätschert hatte, spie beachtliche Fontänen auf die älteren Damen, die mir eben so gezürnt hatten. Die junge Frau, die gerade noch ein Autogramm gewollt hatte, verschüttete vor Schreck ihren Kakao. Ihr ganzes Kleid war ein einziger brauner Fleck. Das Handy tutete wieder.
»HERRR Lagerfeld«, schrie ich hinein, »bitte rufen Sie nicht mehr an, sondern kommen einfach HER!«
Noch ehe ich mich’s versah, unterbrach mich ein schrecklicher Lärm. Jemand auf der Rolltreppe stürzte und überschlug sich, und dann krachte auch schon ein Putzeimer von einer Leiter, und plötzlich fielen alle Leute übereinander und schrien und stolperten, und aus dem Aufzug kam ein Mann in einem Rollstuhl, der hatte das Bein in Gips, und der kippte jetzt auch noch mitsamt seinem Rollstuhl auf die Rolltreppe und krachte in mehreren Purzelbäumen hinunter, und der Kellner, der ihm entgegenkam, fiel mit einem Tablett voller Schweinebraten in die Menge, die Alarmanlage heulte los, und ein paar Polizisten ergossen sich aus dem Aufzug und schwangen ihre Knüppel, und alle zeigten auf mich und schrien: »Das war die! Die mit ihrem Handy!«, und auf einmal war ich mir sicher: Das sind alles Statisten und Schauspieler und Stuntleute, und ich bin hier in einem ziemlich übertrieben inszenierten Spot, »Versteckte Kamera« oder »Verstehen Sie Spaß« oder »Vorsicht Falle« oder so.
Es gab keinen Karl. Jedenfalls keinen Karl Lagerfeld. Der war in Paris oder Mailand und wusste vermutlich nichts von meiner Existenz. Geschweige denn von angesagten Modefotos für den »stern« und die »Gala« und die »Frohe Mutter«. Hahaha. Reingefallen, Karla Stein.
Einer der Polizisten kam drohend auf mich zu und fuchtelte mit seinem Gummiknüppel, und dann kam noch jemand zur Hintertür herein und schrie: »Und wer zahlt mir das alles?«
»Die ›Wört-Flört‹-Redaktion«, sagte ich säuerlich. »Wer die Musik bestellt hat, der muss sie auch bezahlen!«
»Na, das war doch ein köstlicher Scherz«, freute sich Oda-Gesine, die »Wört-Flört-Törts« kauend hinter einer Säule hervorkam. »Du bist sehr sympathisch und ganz natürlich rübergekommen. Und ganz jung und schlank und girliemäßig. Wir tun dich einfach nie wieder stylen. So wie du aussiehst, wirkst du am besten.«
»Und für diese Erkenntnis habt ihr mich aus der Schweiz hergeholt?«
»Deswegen hätten wir dich sogar aus Neuseeland eingeflogen«, sagte Oda-Gesine energisch. »Jedes Fünkchen Imageverbesserung zählt in der Waagschale der Einschaltquoten. Diese ›Versteckte Kamera‹ wird unmittelbar vor der nächsten ›Wört-Flört-Staffel‹ gesendet. Das kann nur in deinem Sinne sein.«
Und siehe da: Herr Bönninghausen kam ebenfalls hinter einem Vorhang hervor. Er hatte wieder eine dieser kleinkarierten Kombinationen an und dazu eine lila Krawatte mit roten Dinosauriern drauf.
»War das Produkt oft genug im Bild?«
»Jaja«, sagte einer der Produzenten. »Ständig.«
»Es wäre mir ja lieber gewesen, Frau Stein hätte ein Tört gegessen.«
»Sie fastet.«
»Sie hätte ja einmal eine Ausnahme machen können!«
»Haben Sie eine Ahnung!«, keifte ich ihn an. »Was Annegret dazu sagen würde! Und der entgiftete Darm, der außer Glaubersalz und durchgeseihter Rote-Bete-Brühe nichts zu verdauen kriegt, was meinen Sie, wie der mit Krämpfen und Koliken reagiert auf so ein fettes Nougattörtchen!«
»Fettes
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