Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
Nougattörtchen!« Herr Bönninghausen war beleidigt. »Das ist ein delikates, junges und trendy Tört!«
»Dafür hab ich doch mein Bestes gegeben«, sagte Oda-Gesine. »Ich hab ständig ein Tört gekaut!«
»Das zählt doch nicht, Malzahn!«
»Jaja, ich weiß, ich bin zu fett für deine Klientel. Aber die Karla sieht doch jetzt mega-trendy aus! Guck sie dir doch mal an!«
»Tach, Herr Bönninghausen«, sagte ich anstandshalber.
»Tach, Frau Stein!«
Herr Bönninghausen wollte mir rechts und links ein Küsschen geben. Ich streckte ihm reserviert die Hand hin.
»Na, wenn Sie die Sendung weiter moderieren wollen, müssen Sie aber zu unserem Produkt stehen!«
»Wie Sie meinen.« Ich ließ ihn stehen. Zu Oda-Gesine gewandt sagte ich: »Also nix mit Karl Lagerfeld?!«
»Natürlich nicht. Der bedient ja gar nicht unsere Klientel.«
»Aber du hast doch gesagt …«
»Nein, nein, viel zu abgehoben.«
»Na gut«, sagte ich. »Dann kann ich ja wieder fahren.«
»Mit irgendetwas mussten wir dich ja locken. Wenn wir gesagt hätten, wir machen einen Werbespot für ›Wört-Flört-Tört‹, hättest du vielleicht nein gesagt.«
»Hätte ich mit Sicherheit.« Ich schenkte Herrn Bönninghausen einen eisigen Blick.
»Trotzdem!« Oda-Gesine holte zu einer Abschiedsumarmung aus. »Das erhöht deine Sympathiewerte um fünfzehn bis zwanzig Prozent! Wollen wir wetten? Das kannst du bald am Computer auf einer Kurve ablesen! Ich fax es dir!«
»Lass gut sein«, sagte ich und rannte leichtfüßig davon.
Vierzig Kerzen brannten. Achtzig Kieselsteine lagen auf der festlich dekorierten Tafel. Statt unserer durchgeseihten Brühe hatten wir alle einen Apfel auf dem Silbertablett vor uns stehen. Es war DER Apfel! Der von vor drei Wochen!
»Ich begrüße euch alle im Kreise der Fastenbrecher«, sagte Annegret, und ein triumphierender Ausdruck blitzte in ihren Augen. Es klang so ein bisschen wie »Ausbrecher«, »Wortbrecher«, »Herzensbrecher« oder »Ehebrecher«. Ziemlich verwegen.
Es war ein großartiges Ereignis. Wir waren so unsagbar stolz! Geschlagene drei Wochen hatten wir keine feste Nahrung zu uns genommen. Und jetzt sollte das große Fressen wieder über uns kommen. In Form eines Apfels! Ein Apfel für JEDEN!
»Schwieriger als das Fasten ist das Fastenbrechen«, sagte Annegret.
Die eingefleischten Faster nickten. O ja. Das ist eine Angelegenheit, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen darf.
Die rundlichen Damen konnten sich vor Aufregung kaum bremsen. Sie befühlten den Apfel und rochen daran und sagten: »Willkommen, lieber Apfel« und »Ich habe dich mit Sehnsucht erwartet« und »Hoffentlich warst du mir treu – ich war es ganz bestimmt«, und sie schlossen die Augen und waren selig und verklärt.
»Ich erzähle euch eine wahre Geschichte«, sagte Annegret. »Ein armer Kriegsgefangener kam ausgehungert aus Sibirien heim. Die Verwandten bereiteten ihm als Willkommensmahl eine fette Gans. Der arme Mann stürzte sich auf die langersehnte Köstlichkeit und verschlang sie fast allein. Er starb unter Qualen.«
Schade, dass man Oda-Gesine auf diese Weise nicht umbringen konnte. Ich hätte es für eine elegante Lösung gehalten.
»Dumm gelaufen«, murmelte ein ausgemergelter Geschäftsmann.
»Voll der Fastenbruch«, sagte sein Kollege hämisch.
»Oje«, sagten die rundlichen Damen bestürzt. Schnell legten sie den Apfel wieder auf das Silbertablett.
»Wir wollen das Fastenbrechen mit Herz und Verstand zelebrieren«, sagte Annegret. »Nehmt alle den Apfel in die rechte Hand. Schaut ihn euch an. Er ist euer Freund, der drei Wochen auf euch gewartet hat.«
»Ich habe überhaupt keinen Hunger«, sagte die mollige Ehefrau von dem Knochigen.
»Ruhig doch mal!«, zischte der Knochige. Er hatte Hunger. Das konnte man deutlich sehen.
»Es hat einen tiefen Sinn, das Fasten, diesen paradiesischen Zustand der Bedürfnislosigkeit, mit einem Apfel abzubrechen. Fühlen wir ihn, betrachten wir ihn, riechen wir ihn, sprechen wir mit ihm!«
Das taten wir.
»Oh, Apfel, du Schlawiner, was hast du nur drei Wochen ohne mich gemacht? Bist du auch sicher, dass du derselbe bist, den ich vor drei Wochen verabschiedet habe, hä? Du bist bestimmt sein Bruder«, schäkerte ich mit meinem Apfel, »weil der von letztens längst den dritten Zähnen eines Gastes zum Opfer gefallen ist!« Mein Äppelken hatte Humor. Es lachte mich an.
»Du bist rund und greifbar, fest und gut zum Kauen«, murmelte einer der
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