Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
die tun wir ganz bissel nur stylen, das kommt dann mega-natürlich …«
Brüll doch nicht so, dachte ich peinlich berührt. Die Leute gucken ja schon.
»Was? Karl? Die Verbindung ist so schlecht! Wart mal, ich geh ein paar Schritte weiter … Aber nicht abbeißen«, sagte sie zu mir.
Ich legte den Schokoriegel auf den Tisch.
Sie stand auf und warf aus lauter devoter Unterwürfigkeit den Stuhl um. Ich hob ihn auf und stellte ihn wieder hin. Die Leute guckten immer noch. Wie peinlich.
Das Handy gab ein paar ungewöhnliche Störlaute von sich. Es tutete und pfiff schrill, und am Nebentisch sagte jemand: »So eine Zumutung!«
Das fand ich auch. So ein Theater. Alles wegen Karl.
Mensch, Karl, dachte ich, komm her oder bleib weg, aber mach dich nicht so wichtig und scheuch uns hier nicht rum und mach mich hier nicht lächerlich. Und beeil dich, ich hab noch was Besseres vor, als dich zu treffen. Nix für ungut, Karl. Aber du bist sechzig, ich bin vierzig, und Emil ist zwanzig. Und ich tendiere zurzeit eher in die junge Richtung. Sorry. Aber wenn du den Knaben sehen würdest … bestimmt wolltest du sofort ein paar völlig trendymäßige Fotos von seinem nackten Oberkörper und seinen kinnlangen Haaren machen. Nix für ungut, Karl. Aber du kriegst ihn nicht.
»Gespräch weg«, sagte Oda-Gesine bedauernd, als sie sich wieder auf den Stuhl plumpsen ließ. »Karl ist ganz in der Nähe. Er findet uns nicht.«
»Warum hast du ihm nicht gesagt, wo wir sind?«
»Das wollte ich ja, aber das Handy spielte verrückt«, sagte Oda-Gesine. »Wo ist mein ›Wört-Flört-Tört‹?« In dem Moment klingelte das Handy wieder. »Halt mal das ›Wört-Flört-Tört‹! – Karl?«, schrie Oda-Gesine in den Apparat. »Wart, ich geh mal ein paar Meter zur Seite …«
Diesmal hielt ich den Stuhl fest. Oda-Gesine ging ein paar Schritte rückwärts. Sie schrie in das Handy, dass die Verbindung leider schlecht sei und dass Karl noch mal anrufen möge. Dabei hielt sie sich ein Ohr zu. Als wenn das was hülfe.
Eine Frau von schräg gegenüber kam zu mir herüber und bat mich um ein Autogramm. Komisch. Das war irgendwie unpassend. Jetzt, in diesem Moment. Ich kritzelte ihr was Nettes auf den Bierdeckel.
»Hier, bitte. Herzlich Ihre Karla Stein.«
»Oh, und ›Wört-Flört-Törts‹ haben Sie auch?«
»Ja. Hier, bitte. Soviel Sie mögen!«
»O danke! Die isst meine Tochter doch so gern!«
Nanu, dachte ich. Als die Frau sich umdrehte und wegging, bemerkte ich ein kleines Kästchen, das sich unter ihrem Kleid abzeichnete. Oda-Gesine stand jetzt neben dem Süßigkeitenautomaten an der Wand. Der Automat vibrierte. Plötzlich entleerte er sich durchfallartig – wie nach einer Annegretsehen Dreingabe von viel Glaubersalz – und köttelte knapp hundert »Wört-Flört-Törts« auf den Fußboden. Sofort sprangen ein paar Jugendliche herbei, sammelten die Nougatriegel auf und machten sich damit aus dem Staub. Als ich noch guckte und staunte, fielen auch noch jede Menge Schokolümmel heraus. Toll! Ich wollte lachen, doch das Lachen blieb mir im Halse stecken, als plötzlich das biedere Ehepaar vom Nebentisch sich auf die Lutschlümmel stürzte, sie einsammelte und ebenfalls das Weite suchte.
Oda-Gesine knallte das Handy auf den Tisch und schrie mir zu: »Geh ran, wenn Karl wieder anruft!« Damit wallte sie Wallhalla woga weialawalla den Leuten nach. Dramatisch wie in einer Wagner-Oper. Heia to hohoo! Es sah lustig aus, wie Oda-Gesine rannte. Wie der Hintern wappte und schwappte. So hatte ich Oda-Gesine noch nie rennen sehen.
Die Leute guckten missbilligend und schüttelten den Kopf. Das war kein bisschen imagefördernd. Im Gegenteil.
Der Kellner brachte eine duftende, dampfende und fetttriefende Schweinshaxe und stellte sie neben die vielen Nougatriegel.
»Hm«, sagte er. »Da haben Sie ja gleich schon einen tollen Nachtisch! Das junge, schlanke ›Wört-Flört-Tört‹.«
Sah ich recht, oder hatte er auch so ein Kästchen unter der Weste? Also wenn das hier nur eine Inszenierung war, dann war aber was gebacken! Mama versteht ja viel Spaß, aber so viel Spaß nun auch wieder nicht. Und einen Werbespot für »Wört-Flört-Törts« drehe ich hier nicht! DEN Vertrag habe ich noch nicht unterschrieben!
»Nehmen Sie das wieder mit«, herrschte ich den Kellner an, und in dem Moment klingelte wieder das Handy. Alle guckten. Das ganze Café. Verdammt. Ich versuchte, das blöde Ding zu ignorieren, eins wie’s andere, sowohl die Schweinshaxe als
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