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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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ein Papagei war.
    »Ey, Mama! Konzentrier dich doch mal!«
    »Ja. ’tschuldigung. Wo waren wir?«
    »Du hast gerade zum zweiten Mal die gleiche Seite gelesen!«
    »Ach, wirklich? Das hab ich gar nicht gemerkt.«
    Ich las weiter. Dieses endlose Kapitel! Heimlich blätterte ich bis zum Ende. Noch elf Seiten! Schrecklich!
    Emil legte auf. Endlich.
    Er erhob sich und ging aus dem Schlafzimmer! Wohin ging der? Ich äugte, während ich las. The show must go on. Nach dem Rüffel der Kinder versuchte ich sogar, besonders heiter und komisch zu lesen. Mit verstellten Stimmen. Jetzt erst recht. Der sollte bloß nicht denken, dass ich im Geringsten Anteil daran nahm, was er jetzt machte. Er war im Bad! Er DUSCHTE! Nein. Das durfte nicht wahr sein. Der wollte sich doch wohl jetzt nicht mit dieser Melanie … treffen?
    Ich zwang mich, das Kapitel zu Ende zu lesen. Alle elf Seiten. Dann zwang ich mich, die Kinder zu küssen und zu streicheln und sie erneut zum Klo zu begleiten. Während die Jungen ihre Schniedel in unterschiedlicher Höhe über die Kloschüssel hielten, warf ich einen müden Blick in den Spiegel. Eben noch hatten wir die Karnevalsmasken aufgehabt, die die Kinder in der Schule gebastelt hatten. Jetzt war ich ungekämmt, ungeschminkt, hatte wirre Haare vom Toben, Flecken im Gesicht, einen alten, knautschigen Pullover an. Und mein Gesicht hatte Falten. Ganz klar. Zornesfalten, Sorgenfalten, Lachfalten, aber Falten. Mein Herz, in diesem Bache, erkennst du nun dein Bild?
    Vielleicht hätte ich doch auf den ägyptischen Schönheitschirurgen hören sollen? Der hatte das gleich gesehen. Dass meine Schlupflider hingen. Und meine Mundwinkel auch. Ich war so alt, wie ich mich fühlte. Fast vierzig! Vom Abendrot zum Morgenlicht ward mancher Kopf zum Greise.
    Und Melanie war blutjunge knappe achtzehn oder höchstens neunzehn. Was ließ ich mich auf so einen Vergleich ein!
    Im Flur roch es tatsächlich nach Tommy Hilfinger Boy. Das Parfüm, das ich ihm geschenkt hatte! Weil er doch mein »Boy« war, wie Oda-Gesine immer sagte. Mein »Hilfinger Boy«. Vermutlich legte Emil gerade seine Calvin-Klein-Unterhose an, die Schwarze! Ich sah ihn vor meinem inneren Auge noch auf dem Tisch liegen, im Albergo Losone, wo er sich die Schleife um den Hals gebunden und die Blume in den Mund gesteckt hatte. Weiche Gräser im Revier. Schöne , stille Plätzchen.
    Tja. »Das war Ihr Preis.« Damals. Aber es ist ein Wanderpokal. Emil wird noch zu so vielen Preisträgerinnen wandern! Das war dir doch klar, Mama. Aber dass es so schnell gehen würde …
    »Mama! Wieso glotzt du so in den Spiegel?«
    Ich fuhr herum. »Was? Wieso?«
    »Das bist doch nur du! Kennst du dich nicht?«
    »Was? Nein. Manchmal kenne ich mich nicht.«
    »Aber so siehst du immer aus, ganz bestimmt!«, behauptete Karl.
    »Außer wenn du im Fernsehen bist. Dann siehst du noch viel ätzender aus«, sagte Oskar grausam.
    »Kommt jetzt bitte ins Bett! Es ist wie immer lange nach acht! Und ihr wisst: Ab acht Uhr habe ich keinen Humor mehr!«
    Und gerade heute Abend besonders nicht.
    Ein dunkeler Schacht ist Liebe. Ein gar zu gefährlicher Bronnen. Da fiel ich hinein …
    »Jaja!« Barfüßig tappten meine Kinder über den Flur.
    Emil kramte in seinem Zimmer herum. Wahrscheinlich versuchte er jetzt noch, sich zu rasieren. Ich hatte es immer so rührend gefunden, neben seinem Clerasil-Pickelwasser im Badezimmer die blutige Rasierklinge zu finden. Jetzt fand ich das mit der Rasierklinge total albern und lächerlich. Du milchjunger Knabe. Die paar Borsten! Für Melanie!
    »Geht der noch weg?«
    »Ja. Und das darf der auch. Das ist sein gutes Recht!«
    »Ich hab ja nur gefragt!« Erstaunter Blick meines Ältesten. »Du hast aber schlechte Laune!«
    Emil erschien für seine Verhältnisse geradezu aufgebrezelt im Flur. In seine kinnlangen Haare hatte er sich Gel geschmiert. Sie waren ganz ungewohnt glatt nach hinten gekämmt. War das wegen Karneval, oder fand er sich schick?
    »Darf ich noch weg gehen?«
    »Natürlich. Du bist ein freier Mensch.« O Gott, dieser schnippische Ton! Ich HASSTE mich! Ich alte, verbitterte Schachtel!
    »Kann ich bitte – mein Taschengeld für nächste Woche jetzt schon bekommen?«
    »Aber bitte!« Ich kramte in meinem Portemonnaie herum.
    »Da. Zweihundert Mark. Macht euch einen netten Abend.«
    Ich zahlte auch noch dafür, dass er sich mit dieser Melanie amüsierte! Ich bezahlte ihnen das Vergnügen auch noch!
    »Kann ich deinen Wagen nehmen?«
    »Aber bitte.

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