Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
ziehen? Habt ihr den Zettel von Mutti gefunden, Kinder? Und euch schön daran gehalten? Nein. Das konnte ich unmöglich fragen.
»Habt ihr gut geschlafen?« Das ging. Das war neutral genug.
»Jou.«
Oje. Das war vielleicht doch schon zu aufdringlich. Das implizierte, dass ich wissen wollte, ob sie es miteinander getrieben hatten. Und das wollte ich ums Verrecken nicht wissen. Ich räusperte mich.
»Was werdet ihr heute unternehmen?«
»Keine Ahnung.« Melanie drehte ihre Haarsträhne. »Vielleicht was bummeln oder so.«
Das bedeutete, dass Emil und ich nicht, wie geplant, mit den Kindern in die Stadt gehen würden, um Jecke zu gucken. Klar, ich konnte nicht über Emil verfügen. Und er hatte ja auch das Recht auf freie Tage. Bis jetzt hatte er davon noch nie Gebrauch gemacht. Seit einem halben Jahr hatte er noch keine freie Stunde beantragt. Er war immer bei mir. Wir waren wie ein altes Ehepaar, das niemals getrennt voneinander essen ging. Und jetzt kam so eine … Melanie daher. Und langweilte sich.
»Du bist doch wegen Karneval gekommen, oder?«
»Nöö … Karneval ist irgendwie blöd.«
Ich hätte gern geschrien.
»Dann geht doch ins römisch-germanische Museum«, sagte ich lasch. »Oder ins Museum Ludwig. Moderne Kunst. Das ist hochinteressant.« Ich in eurem Alter, wollte ich noch hinzufügen. Ich unterließ es aber.
Emil zuckte wortlos die Schultern.
»Mal sehen«, ließ sich Melanie schließlich zu einer Äußerung herab. »Vielleicht gehen wir ’n bisschen Shopping.«
»Soll ich euch ein paar Tipps geben?«
»Nee, lass mal«, sagte Melanie, ihre Augen mitleidig an meine Oberbekleidung heftend. »Ich hab da, glaub ich, ’n ändern Geschmack als du.«
Emil saß starr auf seiner Essbank.
Mit harter starrer Rinde, hast du dich überdeckt …
»Mama, ich hab die Erdbeermilch verschüttet!«
Danke, Tochter. Ich liebe dich dafür, dass ich jetzt mit dem Aufwischen von Erdbeermilch meine Kränkung überspielen darf. Es tat alles so schrecklich weh!
»Na, dann macht euch einen schönen Tag.« Wie altbacken ich daherredete! Ich wusste, alles, was ich sagte, war falsch. Also sollte ich schweigen.
Ich setzte die Kaffeetasse an den Mund und schlug freundlich, aber bestimmt die Zeitung auf.
An diesem Abend machten sich Emil und Melanie fertig für einen weiteren feurigen Abend. Ich hörte sie rumoren, duschen, fönen, Türen klappen und – zumindest Melanie – auf hochhackigen Plateausohlen geschäftig durch den Flur staksen. Schließlich tauchte Emil im Wohnzimmer auf.
»Du hast doch immer gesagt, ich soll in die Disco gehen.«
»Klar«, sagte ich. »Mach das doch!«
»Ich kenne mich hier nicht so aus. Wo ist denn eine Disco?«
»Oh, in Köln ist Karneval in jeder Kneipe Disco! Da tanzt der Bär auf dem Tisch, da schunkeln die Leute, da singen sie und trinken Kölsch, das musst du einfach mal erlebt haben.« Eigentlich hatte ich ihm das alles zeigen wollen.
Nun stand ich blöde im Flur herum.
»Melanie will aber nicht in die Kneipe gehen.«
»Aber ihr solltet euch verkleiden! Ich hab jede Menge Kostüme im Keller …«
»No, Mam. Melanie möchte sich nicht verkleiden.«
Die ist ja auch schon verkleidet, dachte ich. Immer.
»Also, Disco … lass mich mal überlegen … Köln hat so viele Discos. Ich bin früher immer in ›das Ding‹ gegangen.« Früher, früher! Vor zwanzig Jahren willst du sagen, Karla Stein!
Ich erklärte Emil, während Melanie oben geschäftig hin und her klapperte und sich fönte, per Stadtplan den Weg.
»Können wir den Wagen haben?«
»Natürlich. Kein Problem. Aber dann darfst du nichts trinken.«
»Tu ich sowieso nicht, Mam.«
Ich träumte von bunten Blumen, so wie sie wohl blühen im Mai, ich träumte von grünen Wiesen, von lustigem Vogelgeschrei, von lustigem Vogelgeschrei.
Kölle, ALAAF!
»Ich fahr euch.«
»Nicht nötig, Mam.«
»ICH FAHR EUCH, hab ich gesagt!«
Karl ist elfeinhalb, der kann mal mit seinen Geschwistern alleine bleiben. Ich rannte schnell rüber zu Frau Prieß, hämmerte mit den Fäusten gegen ihre Terrassentür und bat sie, zwischendurch mal bei den Kindern horchen zu gehen. Frau Prieß lachte, sie müsse sich sowieso bewegen.
Ich stürmte in den Keller, wühlte in der Kiste mit den Kostümen und zog das Clownskostüm heraus. Ich warf es mir über, zerzauste mir die Haare, malte mir drei Herzchen an die Wange und setzte die plumpe rote Nase auf. So. Fertig. Drei Minuten. Mama ist schnell.
Noch einmal in diese Disco gehen. Nur
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