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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Die Augen schließ ich wieder, noch schlägt mein Herz so warm …
    Damals hatte er auf die Brombeerbüsche geschaut. In jener milden Herbstnacht. Und auf die tanzenden Glühwürmchen vor der grünlich leuchtenden Bergkulisse.
    Ich blieb hinter ihm stehen. Diesmal umfasste ich ihn nicht. Wer weiß, welches Spaghettiträgerhemdchen das vorhin bereits erledigt hatte.
    »Ich habe noch nie Schnee gesehen«, sagte Emil, ohne sich umzudrehen.
    »Doch«, sagte ich. »Hast du. Auf dem Jungfraujoch.«
    »Da war der ewige Schnee«, sagte Emil. »Aber ich habe noch nie gesehen, wie es schneit. Ich wusste nicht, dass Schneeflocken so langsam fallen.«
    »Doch«, sagte ich. »Schneeflocken fallen ganz langsam. Meistens tauen sie aber schnell wieder weg.«
    So wie unsere Liebe, dachte ich.
    »Manchmal bleiben sie auch liegen«, sagte Emil.
    Ich konnte nicht anders. Ich umarmte ihn doch.
    Und dann liebten wir uns. Wie damals. Nur diesmal nicht neben den Brombeerbüschen. Diesmal neben dem Blumenstrauß von Jo. Mitten auf dem Tisch. Weiche Gräser im Revier, schöne, stille Plätzchen. Oh, wie linde ruht es hier sich mit einem Schätzchen.
    Später griff Emil nach der Champagnerflasche und öffnete sie mit den Zähnen.
    »Du bist ein Wildschwein«, stellte ich fest. »Ein südafrikanisches.«
    »Prost, deutsches Hausschwein«, sagte er, den Korken zwischen den Zähnen. »Ich finde, wir passen zusammen.«
    Als wir zu Hause waren, Emil, Paulinchen und ich, reihten wir uns wieder in das normale Alltagsleben ein. Senta verzog sich, sobald sie das Taxi um die Ecke kommen hörte. Das war zwar kein Dauerzustand, aber ich hatte keine Lust auf ein Versöhnungsgespräch. Sie war entbehrlich, jawohl, das war sie! Sie sollte unser junges Glück nicht stören!
    Vor den Großen ließen wir uns nichts anmerken. Emil schlief wieder in seinem kleinen Zimmer, räumte auf, kaufte ein, bügelte und versorgte die Kinder. Er tobte mit den Großen, bastelte mit den Kleinen, las vor und sang seine leisen Kinderlieder auf Afrikaans. Besonders liebte ich das Lied von Wielie: »Wielie Wielie Walie, die aap ry op sy balie, tjoef, tjoef daar val hy af, wielie, wielie walie.« Es ging um einen Affen auf einem Fass, der dann runterfiel, tjoef, tjoef. Katinka ließ sich begeistert mit Emil auf die Erde fallen und konnte gar nicht genug kriegen von Wielie Walie.
    Oder das Lied von Jan: »Jan Pierewitt, Jan Pierewitt, Jan Pierewiet staan Stil, goeie more my vrou, hier’s n soentjie vir you, goeie more my man, daar is koffie in die kan.« Das hieß, frei übersetzt: Jan Pierewitt bleibt stehn und sagt: »Guten Morgen, meine Frau, hier ist ein Küsschen für dich!« Und die Frau antwortet: »Guten Morgen, mein Mann, hier ist Kaffee in der Kanne!« Ich fand das Lied bezaubernd und konnte, genau wie Katinka, nie genug davon bekommen.
    Jeden Abend brachten Emil und ich die Kinder ins Bett. Das Ins-Bett-bring-Ritual zwischen Emil und mir war ebenso eingespielt wie tausend andere Dinge unseres gemeinsamen Alltags. Emil reichte mir alle Sachen, die ich brauchte, Waschlappen, Seife, Handtücher, frische Wäsche, Zahnbürsten mit Dinosaurier-Zahnpasta. Er kannte von jedem Kind die Zahnbürste, die Lieblingszahnpasta, die Lieblingsschlafanzughose und das Lieblingsschmusetier. Er entsorgte die Schmutzwäsche, brachte sie gleich zur Waschmaschine und stellte den passenden Waschgang an. Er sprang mit sauberen Duschtüchern aus dem Trockner wieder die Treppe hinauf, suchte Socken und Puschen zusammen und räumte noch flugs die letzten herumfliegenden Spielsachen auf. Kein Mann der Welt hatte diese Reflexe in den Genen!
    Ansonsten lehnte Emil aufmerksam an der Tür, während ich mit den Kindern schmuste und sang und herumalberte. Später hockten wir alle gemeinsam in meinem Bett – Emil nahm bescheiden auf dem Fußboden Platz –, kuschelten uns aneinander, und ich las Geschichten vor. Jeden Abend versuchte ich meinen Kindern das wiederzugeben, was sie in den Tagen meiner Abwesenheit vermisst hatten. Dann kam das südafrikanische Gutenachtlied. Emil hatte eine hinreißende Art, mit den Kindern zu singen. Ich fing an, diese Sprache zu lieben. Bald konnten wir alle ein paar Brocken Afrikaans. »Ek is lief vir jou« bedeutete »Ich liebe dich«. Katinka war in zärtlicher Liebe für Emil entbrannt. Sie plapperte ganz entzückend »Ek is lief vir jou«, während sie ihre runden, weichen Ärmchen um Emil schlang.
    Die Großen liebten Emil schon allein dafür, dass er ihnen

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