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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Fußballposter ausschnitt und an die Wand klebte, dass er schon bald die Namen sämtlicher Fußballspieler kannte und dass er, was ich besonders beeindruckend fand, mit Textilienmarker exakt die Trikotmuster auf ihre T-Shirts malte, die auf den Trikots der Fußballspieler im Fernsehen immer zu sehen waren. Er konnte wunderbar zeichnen, wie er mit dem Schweinebild im Krankenhaus bewiesen hatte. Natürlich tobte Emil auch mit den Großen durch die Betten, schmiss mit Kissen, rollte sich unter Gequietsch und Gejuchz in Decken ein, versteckte sich im Kleiderschrank und sprang, wenn es sein musste, vom Schrank aufs Bett, wobei er sich mit einer eleganten Drehung abrollte. Er war das Bindeglied zwischen den Kindern und mir. Die Generation dazwischen. Ich stand dann oft versonnen da und beobachtete ihn. Halb Kind, halb Mann.
    Du milchjunger Knabe. Er war gerade auf der Schwelle zum zweiten Akt seines Lebens. Vielleicht war ich es, die ihm den Vorhang dazu aufgezogen hatte.

Kurz vor Karneval, als wir gerade mal wieder gemütlich zwischen Kissen und Decken im großen Bett saßen, die Kinder müde vom Toben, frisch gewaschen, nach Nivea-Creme und Kinderzahnpasta duftend, klingelte das Telefon. Ich las gerade »Eine Woche voller Samstage« vor, und wir amüsierten uns köstlich. Sogar Emil liebte die Geschichte von den Wunsch-Punkten im Sams-Gesicht.
    »Nicht drangehen, Mama!«, flehten die Kinder.
    Ich ließ es klingeln.
    Wir lasen weiter. Von Herrn Taschenbier und Frau Rotkohl, von der Wunschmaschine und Herrn Mon, der immer seine eigenen Fragen beantwortete.
    »Gehen wir dran? Nein, das tun wir nicht«, sagte ich, und die Kinder kugelten sich vor Lachen.
    Das Telefon klingelte wieder. Bestimmt siebenundzwanzigmal. Ich ignorierte es eisern. Jetzt war unsere Zeit. Die hatte uns keiner zu nehmen.
    »Will uns da einer nerven?«, fragte Herr Mon. »Ja, das will er.« »Aber wir lassen uns nicht nerven!«, quietschte das Sams. »Nein, das tun wir nicht«, echote Herr Kules, der Papagei.
    Doch das Telefon gab nicht auf.
    »Ich wünsche«, schrie Karl, »dass das Telefon aufhört zu klingeln.« Doch das tat es nicht.
    Verdammt, dachte ich. Es könnte was ganz Wichtiges sein.
    Vielleicht ist es Oda-Gesine mit einer neuen Trendmeldung. Vielleicht habe ich die Sieben-Millionen-Grenze geknackt. Ich rappelte mich hoch und nahm den Hörer ab.
    »Karla Stein.«
    »Hallo-hier-ist-Melanie-kann-ich-den-Emil-haben?«
    Klar kannst du ihn haben. Da. Nimm ihn und werd glücklich mit ihm und ruf hier nie wieder an! Kapiert?
    »Ja, natürlich. Hallo, Melanie«, presste ich heraus und versuchte, mein Herzklopfen zu ignorieren. »Wie geht es dir?«
    »Danke, gut«, sagte Melanie. »Und dir?«
    »Danke, auch gut«, sagte ich säuerlich. Lügen wir das Mädel an? Ja, das tun wir.
    Dann reichte ich Emil den Hörer. Emil errötete, ob vor innerer Erregung, vor Peinlichkeit oder vor lauter Freude, konnte ich nicht ermessen. Er sprang auf seinen Skisocken herbei, ergriff den Hörer, senkte die Stimme, drückte sich in eine Ecke und redete viel und leise auf Melanie ein.
    Ich zwang mich, gelassen und heiter weiter vorzulesen.
    Aber ich nahm kein einziges Wort von dem, was ich sagte, wahr.
    Da wagte es dieses Flittchen, bei MIR ZU HAUSE anzurufen! Abends um acht! Zu dieser PRIVATEN Zeit! Ruhig, ruhig, versuchte ich meinen eifersüchtigen Schweinehund zu treten. Du hast nicht das geringste Recht, dich aufzuregen. Dein Au-pair-Junge hat eine Freundin. Nichts anderes hast du ihm von Anfang an gewünscht. Sie passt zu ihm. Rein altersmäßig. Und überhaupt. Willst du ihm das wohl von Herzen gönnen! Nein, das tun wir nicht, schrie der eifersüchtige Herr Mon. Ich WÜNSCHE, schrie Herr Taschenbier auf die Wunschmaschine ein, dass sofort und hier und jetzt und auf der Stelle diese Melanie sich in Luft auflöst!
    Doch Melanie plauderte in meines Emils Ohr. Und Emil lauschte verzückt. Fassen wir den jemals wieder an? Nein, das tun wir nicht. Nicht mit der Kneifzange!
    Aber vielleicht hat er gar nichts mit der. Sie ruft ihn nur an! Das wird doch wohl noch erlaubt sein! NEIN! Ist es nicht! Die soll meine Kreise nicht stören! Nagen am Herzen fühl ich ein Gift in mir. Kann sich ein Mädchen, ohne zu frönen zärtlichem Hang, fassen ein ganzes, ein ganzes wonneberaubtes Leben lang?
    Ich las weiter vor. Monoton und schnell und aufgeregt. Ich vergaß, das Sams mit quietschiger Stimme zu lesen, ich vergaß, dass Frau Rotkohl immer keifte, ich vergaß, dass Herr Kules

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