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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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herbei und vermeldete, ein Fax sei gekommen, und zwar von der Schule von meinem Sohn, es sei das Protokoll des Elternabends, ob sie es mir bringen solle oder ob ich’s später lesen wolle oder ob sie es ins Hotel faxen solle?
    Nein danke, Silvia. Ist scho alles rrecht.
    Im Rennen überflog ich das Protokoll. Es war wie immer nichts Weltbewegendes passiert.
    Emil bezog in seinem Zimmerlein neben meiner Garderobe Stellung. Er packte seinen Krimi aus dem Kinderwagennetz und wartete. Paulinchen schlief. Ich verabschiedete mich von Beiden mit einem kleinen Küsschen. Ob Emil wusste, dass ich ihn heute in der Morgendämmerung beim Schlafen beobachtet hatte?
    Rolf und Maik saßen bereits in meiner Garderobe und tranken Kaffee. Auf dem Tisch stand eine Riesenschale mit »Wört-Flört-Törts«, aber auch frisches Obst und ein paar frische Breetzn. Sie dufteten betörend, aber ich schwor mir, nichts von allem anzurühren.
    Heute Morgen im Dorfhotel Willaschek hatte ich vergeblich versucht, einen frischen Obstsalat zu bestellen. Was nach einer halben Stunde von einem ältlichen Fräulein mit Flecken auf dem Kittel serviert wurde, waren eingelegte Aprikosen aus der Tiefkühltruhe, die vor Kälte dampften. Ich verweigerte alles. Auch die abgepackten Leberwurstdöschen und Braunschweiger Schmierwurstenden konnten mich nicht reizen. Na egal. Ich war ja nicht zum Vergnügen hier.
    »Hallo, guten Morgen, na, gut geschlafen, alles im grünen Bereich?«
    Klaro-klaro-klaro. Küsschen und huch is aber kalt und gestern ist’s noch spät geworden und nachher tauten die alle auf und tanzten auf dem Tisch. Einer hat noch ’n Striptease gemacht und auf sächsisch »suubrr, suubrr« gebrüllt. Voll die Post ist da noch abgegangen. Bis morgens um sechs. Und die Mädels ham gekreischt und getanzt, und wer dann mit wem ins Bett gegangen ist, das kann man gar nicht mehr genau rekonstruieren. Jedenfalls war die Oda-Gesine Malzahn noch lange dabei und hat Schweinshaxn und Weißwürscht gegessen und hat versucht, diesen Herrn Bönninghausen aufzuheitern, der erst nach dem fünften Weizenbier ein Auge für die Dschnanett hatte, dann aber auch richtig.
    »Wer war noch mal Dschanett?«
    »Na, die mit dem durchsichtigen grünen Fummel, die mit den Plateausohlen, die Blonde mit dem hoch toupierten Hinterkopf, die mit den langen braunen Fingernägeln und dem Piercing in der Nase.«
    »Und was hat die noch mal gesagt?«, fragte ich.
    »Die arbeitet in einem Sonnenstudio, und in ihrer Freizeit geht sie Klamotten kaufen, und ihr Traummann ist Brett Pitt.«
    »Ach die«, sagte ich.
    Ich erinnerte mich nicht mehr im Geringsten an Dschanett. Und die Beschreibung passte auf alle. Und Herr Bönninghausen hatte auch bei wohlwollendem Betrachten recht wenig Ähnlichkeit mit Brett Pitt. Aber Hauptsache, Herr Bönninghausen hatte noch seinen Spaß gehabt und musste heute nicht immer den Kopf schütteln.
    »Sagt mal, Leute«, sagte ich, »amüsiert sich die Oda-Gesine auch manchmal mit dem jungen Volk? Ich meine, tanzt die auch mal auf dem Tisch, oder sucht die sich einen netten Jüngling aus, oder denkt die immer nur ans Geschäft?«
    »Die lebt nicht mehr wirklich«, sagte Rolf.
    »Die denkt immer nur an das Eine«, spöttelte Kim. »Einschaltquote, Marktanteil, Sponsor, Öffentlichkeitsarbeit, diagonale Werbung … das ist ihr Lebensinhalt.«
    »Gestern hatte sie einen Tiefkühlmenschen an Land gezogen«, sagte Rolf. »Der Bönninghausen will ›Wört-Flört-Tört‹ jetzt auch noch als Eis am Stiel! Sie überlegen noch, wie sie es nennen sollen … Longlümmel war der Arbeitstitel!«
    »Na, bei so vielen kreativen Autoren wird das ja wohl kein Problem sein!«
    »Oh, das ist harte Arbeit! Dafür brauchen wir mehrere Sitzungen! So was kann man nicht mal eben zwischen Tür und Angel machen …«
    »Da darf man nicht hingehen und rumschlampen!«
    »Da geht’s um Millionen!«
    In dem Moment polterte die Tür auf, und Oda-Gesine kam mitsamt Herrn Bönninghausen und einigen weiteren Herrschaften aus dem Marketingbereich in den engen Raum gequollen.
    »Darf ich vorstellen? Die Damen und Herren sind von der Firma ›Cool ’n fresh‹, sehr aufgeschlossen und interessiert am ultimativen Schokolutscherlümmel, und das ist unsere neue Moderatorin, Karla Stein.«
    Sie begrüßte mich mit Küsschen rechts, Küsschen links – sie roch sehr intensiv nach Nougat –, und sie wies Herrn Bönninghausen, der mich immerhin schlee lächelnd mit feuchtem Händedruck begrüßte,

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