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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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und wir beide wussten ja schon alles darüber.
    Die Herbstsonne stand schon schräg. Jeder Tag war eine kleine Kostbarkeit.
    »O Mama, in Biologie ist es voll bescheuert!« Mein armer Karl schlurfte gefrustet mit seiner Schultasche herein. »Und morgen schreiben wir über diesen ganzen Scheiß einen Test!«
    »Lass sehen«, sagte ich, »Biologie ist doch mega-interessant! Wetten, dass dir der Stoff in spätestens einer halben Stunde Spaß macht?«
    Mein Großer schleuderte mir lustlos das Bio-Buch entgegen. Darauf war ein putziges Meerschweinchen abgebildet, das gerade gar lieblich ein Nüsslein knabberte. Ich stellte mich schon mal auf Bienchen und Käferchen ein, da fledderte mir aus dem Bio-Buch ein Arbeitsblatt entgegen. »Von der ruhenden Eizelle zum Follikelsprung« lautete die Überschrift. Und aufgemalt waren verschiedene weibliche innere Organe.
    Ich räusperte mich. »Junge, willst du nicht erst mal was essen?«
    »Spinnst du, Mama? Über diesem unappetitlichen Bild?!«
    »Du musst ja nicht hinsehen.«
    Ich überflog den Beitrag: »… während der Eireifung … Gebärmutterschleimhaut gewachsen … Menstruationskalender führen … mit Binden oder Tampons …« Und daneben konnte man Tampons in allen Größen besichtigen. Danke, das genügte mir.
    Wann schrieb der Junge den Bio-Test? Morgen?! Eigentlich war mir heute so gar nicht nach diesem Thema. Von wegen, der Stoff macht dir in einer halben Stunde Spaß. Voll gelogen, Mama. Der Stoff machte eigentlich nie Spaß. Uns Mädels schon mal per se nicht, weder wenn man elf war noch mit fast vierzig, ehrlich. Und den Jungs war das in dem Alter verdammt noch mal peinlich.
    Während mein Elfjähriger erwartungsvoll eine Riesenportion Knusper-Müsli verdrückte, überlegte ich, was denn nun pädagogisch wertvoll sei. Früher hatte man von Bienchen und Schmetterlingen erzählt. Das ging ja irgendwie an der Realität vorbei. Aber musste es denn jetzt so hammerhart sein? »Beim Geschlechtsverkehr gelangen viele Millionen Spermien in die Scheide. Diesen Vorgang nennt man Begattung.«
    Ich klappte das Buch zu. »Ach, Junge«, seufzte ich, »zeig mir erst mal deine anderen Hausaufgaben.« Ich besichtigte die Religionsaufgabe (Aufbau der Eucharistiefeier), den Deutschaufsatz (Die Vorteile, ein Einzelkind zu sein) und die Mathearbeit (Rechnen bis 100 000). Dann saßen wir wieder auf unserem Eisprung, mein Sohn und ich.
    »O Mama, das ist echt voll unappetitlich«, argumentierte der Junge.
    Okay. Wir klappten das Bio-Buch zu. Das war einfach noch nichts für das zartbesaitete Kind.
    Der sensible Junge zog sich mit einem Schmöker in die Ecke zurück.
    »Was liest du denn da?«, fragte ich interessiert.
    »Das Leben der Samurai.«
    Gemeinsam studierten wir die schaurig-schönen Bilder von wildem Mannestum.
    »Mama, da siehst du, wie ein Samurai-Ritter sich selbst den Bauch aufschlitzt! Und hier, Mama, da hauen sie einem mit dem Schwert den Kopf ab!« Karl kaute begeistert Knusper-Müsli.
    »Und das findest du nicht unappetitlich?«, fragte ich entgeistert.
    »Nee, Mama, das macht voll Spaß!«
    Ich musste mich schwer überwinden. Aber dann holte ich das Bio-Buch aus dem Ranzen und schlug es auf. »Die Spermien bewegen sich mit Hilfe ihres Schwanzfadens auf das Ei zu. Diesen Vorgang nennt man Befruchtung«, sagte ich. »Los. Stell das Müsli weg und konzentrier dich. Spätestens in einer halben Stunde macht dir der Stoff Spaß!«
    »Mama, wieso musst du morgen schon wieder weg?«
    Die Kinder und ich lagen Arm in Arm in Jogginghosen und dicken Socken auf meinem großen Bett und lasen im Schein der Nachttischlampe die Geschichten von Bullerbü. Wir liebten diese Geschichten, gaben sie doch Zeugnis von Geborgenheit, von heiler Welt und unbeschwerter Kindheit. Katinka kuschelte sich in meine Armbeuge. Mit der freien Hand kraulte ich Oskar die borstigen Nackenhaare. Karl hatte seinen Kopf auf meinen Schoß gelegt. Er war zwar schon elf und fand Bullerbü voll bescheuert, aber er ließ es sich nicht nehmen, bei unserem abendlichen Kuschelstündchen dabeizusein. Emil hatte sich mit Paulinchen im Arm bescheiden auf dem Fußboden niedergelassen. Es war unglaublich gemütlich, ich wollte die Uhr anhalten und nie, nie wieder etwas anderes tun, als hier in dicken Socken herumzuliegen und die Zahnpastamäulchen meiner Kinder zu riechen und von Bullerbü vorzulesen.
    Emil mochte wieder mal nicht in die Disco gehen, obwohl ich es ihm ausdrücklich erlaubt hatte. Nein, Emil wollte auf dem

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