Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
Fußboden im Schlafzimmer sitzen und sich die Bullerbü-Geschichten anhören.
»Mama! Ich hab dich was gefrahagt! Warum müsst ihr schon wieder weheg?!«
»Weil wir beim Bundespräsidenten eingeladen sind.« Ich strich dem erhitzten Oskarlein über die noch feuchten Haare.
»Wie? Der Emil und du?«
»Nein. Der Paul Stein und ich.«
»Dann kann der Emil ja hierbleiben.«
»Und wer soll sich um das Paulinchen kümmern?«
»Na, der Paul Stein! Der hat es ja schließlich gezeugt!«, muffelte Karl sauer.
Wir lebten in Scheidung, Paul und ich.
Paul Stein, mein Exmann, hatte zwar alle vier Kinder gezeugt, aber er hatte Wichtigeres zu tun, als sich um sie zu kümmern. Er bekam das Bundesverdienstkreuz. Erwähnte ich schon, dass er ein berühmter Dirigent war, der auch eine eigene Fernsehsendung hatte? Sie hieß »Vorsicht Kultur« und hatte eine Einschaltquote von knapp einer Million. Paul leitete ein internationales Jugendorchester namens »Brücke der Töne«. Er war nach unserer Trennung genauso viel unterwegs wie vorher. Für die Kinder hatte sich nichts geändert. Wir vermissten ihn nicht besonders. Erst recht nicht mehr, seit wir Emil hatten. Nun war endlich jemand für kaputte Fahrräder, unaufgepumpte Fußbälle, verhedderte Tischtennisnetze und aufs Dach geschossene Federbälle zuständig.
Aber zurück zu Paul Stein. Die einschaltquoten-orientierte Oda-Gesine hatte sofort veranlasst, dass ich auch zum Bundespräsidenten eingeladen wurde. Weil ich nicht gerade bundesverdienstkreuzverdächtig war mit meiner Jugend-Kult-Sendung, sollte ich praktischerweise bei der Präsidentengattin Christiane kochen.
»Wieso musst du beim Bundespräsidenten kochen, Mama?«
»Bei ihm kochen die Prominenten.«
»Du kannst doch gar nicht kochen.«
»Nein. Aber das ist in dem Zusammenhang nicht wichtig.«
»Du lügst also den Bundespräsidenten an, ja?!«
»Nein, wenn man prominent ist, ist das nicht lügen, sondern ›Cross promotion‹.«
»Prominent sein ist Scheiße.«
»Sag dem Bundespräsidenten doch, er soll ins Restaurant gehen, wenn er was zu essen haben will!«, maulte Karl.
»Oder er soll zu uns kommen!«, rief Oskar. »Dann zeigen wir dem die Mausefallen in der Garage!«
Die Kinder hatten geniale Mausefallen gebastelt. Aus Tennisschlägern und Hockeyschlägern und einem Nudelholz. Auf jedem Teil lag ein Stück Käse. Diese unauffälligen Gerätschaften waren durch viele dicke Seile miteinander verbunden. Wenn also eine Maus auf dem Tennisschläger Käse essen wollte, kriegte sie unweigerlich das Nudelholz ins Kreuz. Ich war so beeindruckt, dass ich beschloss, die Tennisschläger, das Nudelholz und den Käse mit ins Dorfhotel Willaschek zu nehmen. Für meine Stubenfliege.
»Ich zeige dem bunten Präsidenten meine neue Kinderklobrille!«, rief Katinkalein erfreut. Sie liebte es, wenn wir Besuch bekamen.
»Das interessiert den sicher brennend«, sagte ich. »Aber ich fürchte, dafür hat der keine Zeit.«
Emil und ich wechselten einen Blick.
»Aber du hast Zeit für ihn, ja? Für jeden Bundespräsidenten hast du Zeit, nur nicht für deine Kinder.« Die Großen wussten ganz genau, dass sie mich mit diesem Vorwurf bis ins Mark treffen konnten.
»Erstens bin ich seit zehn Tagen daheim und kümmere mich ausschließlich um euch. Und zweitens ist das wichtig für ›Wört-Flört‹, dass ich zum Bundespräsidenten kochen gehe.«
»Soll doch der Papa zu dem Bundespräsidenten kochen gehen! Der braucht doch viel mehr Einschaltquoten als du!«
»Der Papa kriegt das Bundesverdienstkreuz.«
»Kann der Bundespräsident das Kreuzzeichen nicht in ein Paket tun und dem Papa schicken?«
»Genau! Warum packst du das Essen nicht in ein Paket und schickst es dem Bundespräsidenten, hä? Kannst du mir das mal sagen?«
»Weil die Leute im Fernsehen das ja sehen sollen, dass der Papa das Bundesverdienstkreuz kriegt und dass ich koche.«
»Waru-hum?«
»Weil die Spaß daran haben.«
»Wir hätten auch mal Spaß daran, zu sehen, wie du kochst«, sagte Karl sauer.
Ich schickte ihm einen erschrockenen Blick. Machos Erwachen?! Und das bei MEINER Erziehung? Frau Prieß würde jetzt sofort auf springen und ihm was kochen, mit dem Argument, sie müsse sich bewegen.
»Ich finde, wir sollten noch ein Kapitel aus Bullerbü lesen«, schlug ich vor.
»Übersprungshandlung«, sagte Karl kalt.
Emil und ich wechselten noch einen Blick.
»Wo waren wir stehengeblieben?« fragte ich und schlug das Buch auf.
Der Fahrer vom
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