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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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ihren Lieblingssessel zu und den anderen Herrschaften das Sofa, und dann winkte sie Kim, sie möge das erste Video einlegen.
    »Heute machen wir doppeltes Tempo«, sagte sie munter.
    Wir kniepten wieder alle mit den Augen gegen das helle Fenster. Die Spätsommersonne stand schon schräg. Ich wollte wandern, mit meinem Baby im Kinderwagen, weit, weit wandern, über trockene hellbraune Blätter auf weichem Waldboden, über Kastanien, Eicheln und feuchtes Moos und die würzige Luft einatmen. Aber der erste nichtssagende Knabe aus einer anderen Welt, aus einer Plastikwelt, in die ich nicht gehörte, erschien schon wieder auf dem Bildschirm und stammelte seinen Namen und was er in seiner Freizeit mache und wer seine Traumfrau sei.
    Ich versuchte mir alles zu merken, Namen und Gesichter und Vorlieben wie Nasenflügel-Piercen und Mucki-Bude und Beach-Volleyball-Spielen und nachts in die Disco und Heftchen aufreißen und andere wichtige Aktionen, aber ich konnte mich einfach nicht konzentrieren.

Endlich, endlich waren wir wieder zu Hause, Paulinchen, Emil und ich. Senta packte ihre Sachen und versicherte, alles sei wunderbar gelaufen. Ich atmete tief durch, umarmte sie von Herzen und winkte ihr nach, als sie mit ihrem Kleinwagen fröhlich hupend davon sauste.
    Der Alltag hatte uns wieder.
    Während ich mit Karl und Oskar am großen Küchentisch saß und die Hausaufgaben überwachte, spielte Emil mit Katinkalein auf dem Teppich mit Bauklötzen. Paulinchen lag in ihrem Laufställchen und beobachtete das familiäre Treiben. Es war alles so, als wären wir eine ganz normale Familie. Erst jetzt wusste ich das alles zu schätzen. Erst jetzt merkte ich, wie kostbar das war.
    Später fuhren wir alle in den Supermarkt. Emil war aufmerksam, schweigsam und flink. Er schob den Kinderwagen mit Paulinchen, während ich den Einkaufswagen belud, in dem Katinka thronte. Er schleppte Milchpaletten und Flaschenkästen, er half den Jungen dabei, Obst und Gemüse abzuwiegen, er stand Schlange an der Fleischtheke, während ich die Babyutensilien zusammensuchte. An der Kasse lud Emil alles in die Kisten, die wir mitgebracht hatten, und trug sie ins Auto, bevor ich überhaupt bezahlt hatte. Ich ließ ihn immer öfter den Kleinbus fahren, denn ich hatte volles Vertrauen zu ihm.
    Wir hörten »die Prinzen« oder »die Blackfööss« oder »die Backstreet Boys« und sangen immer laut mit. Längst hatten meine faulen Longlümmels Emil als ihren Freund und großen Bruder akzeptiert. Und Emil fühlte sich ausgesprochen wohl bei uns, das war ihm anzumerken. Ich glaubte aber, dass ihn trotzdem irgendetwas bedrückte. Doch immer wenn ich ihn fragte, ob es etwas gebe, was er mir sagen wolle, erwiderte er höflich: »No, Mam.«
    Während die Kinder beim Tennis- oder Hockeytraining waren, wanderten Emil und ich mit Kinderwagen und Buggy durch den herbstlichen Stadtwald. Ich liebte es, mit großen Schritten auszuschreiten. Und Emil anscheinend auch. Wir redeten nicht viel. Emil war kein Schwätzer. Ich mochte ihn nicht ausfragen. Wir plauderten über die Kinder, unseren Alltag, wir stimmten Termine ab und schmiedeten unsere kleinen Pläne für die nächsten Tage. Wenn ich irgendwo stillen wollte, setzte ich mich auf eine Bank oder einen Baumstamm. Emil reichte mir fürsorglich das Paulinchen und spielte mit Katinka mit Hölzchen, Steinchen und Stöckchen, bis ich fertig war. Wenn Katinkalein nicht mehr in ihrem Buggy sitzen wollte, nahm Emil sie auf die Schultern und trug sie kilometerlang nach Hause.
    Wir holten die Großen vom Tennis oder Hockey ab, und Emil spielte auf dem Rückweg mit ihnen Fußball. Es war, als hätten wir schon immer zusammengehört. Unsere Arbeitsaufteilung war unspektakulär. Unser kleines bürgerliches Leben lief völlig ohne Höhe- und Tiefpunkte ab. Wenn Senta abends babysittete, schleppte ich Emil in die Oper. Ich wollte, dass der Bengel wenigstens etwas deutsche Kultur mit nach Hause nehmen würde. Wir gingen in »Tosca« und in »La Bohème«. Ich erklärte ihm die Handlung, so gut ich konnte. Tatsächlich schien Emil sich für meine heißgeliebte Musik zu begeistern. So traute ich mich sogar, mit ihm zu einem Liederabend zu gehen. Wir hörten einen hochbegabten Bariton »Die Winterreise« von Schubert und »Die Dichterliebe« von Schumann singen. Auch hier versuchte ich Emil die Texte zu vermitteln. Ihm schien das alles tatsächlich zu gefallen. Über »Wört-Flört« redeten wir nicht viel. Die Kinder interessierte es nicht,

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