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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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lachten sich kaputt. So was von originell und deftig mal wieder! Und voll kreativ!! Fünf bis sieben Millionen Zuschauer hinter ihren Bierflaschen und Chipstüten würden genauso dreckig lachen und sich auf die Schenkel schlagen wie diese Burschen hier.
    Plötzlich fiel mir ein, dass heute der Elternabend in Oskars Klasse war. Gerade jetzt, um halb acht, fing er an. Gerade jetzt wurde darüber abgestimmt, ob wir das Heft »Lesen lernen 2« mit Altpapier einbinden sollten oder mit Klarsichtfolie. Und dann gründete man einen Förderverein und wählte einen Vorsitzenden. Reden, schwafeln, stammeln, für die Klassenkasse sammeln. Nichts ist so erlabend wie ein Elternabend. Plötzlich hatte ich Sehnsucht nach all den Halstuchträgerinnen.
    Und das war mir noch nie passiert.

In dieser Nacht schlief ich wieder mal nicht. Ständig bretterten völlig immune Stubenfliegen innerhalb und Laster außerhalb meines Dorfhotelzimmers hin und her, und in meinem Kopf bretterten vernichtende Gedanken: Du bist auf der falschen Party.
    Nun war ich also in Beige und Bieder vor die Kamera getreten, mit einem Nickihalstüchlein! Ich unterschied mich in NICHTS von den Elternabend-Muttis. Völlig unkreativ hatte ich die aufgebrezelten, hippen und voll coolen Kandidaten gefragt, was sie beruflich und in ihrer Freizeit machten, und ansonsten auf den Riemchensandalen versucht, das Gleichgewicht zu halten.
    Die Kandidaten hatten ihre auswendig gelernten Sprüche aufgesagt, das Publikum hatte gegrölt, besonders wenn jemand endlich ohne Fehler seinen Satz fertiggebracht hatte, Oda-Gesine hatte feixend »Wört-Flört-Törts« gemampft, und Herr Bönninghausen hatte immerfort den Kopf geschüttelt.
    Nachher fühlte ich mich noch viel müder und leerer, als ich mich nach Elternabenden fühlte. Weder Oda-Gesine noch Herrn Bönninghausen wollte ich mehr begegnen. Ich stahl mich mitsamt Baby und Kinderwagen und Emil über eine Hintertreppe davon. Die schöne Melanie fuhr mit uns in unser Dorfhotel Willaschek am Rande der Durchgangsstraße. Obwohl ich rasend gern noch viereinhalb Minuten zu Fuß gegangen wäre. Nur um mir den Kopf durchpusten zu lassen. Und vielleicht noch dreieinhalb Takte mit Emil zu plaudern. Und nicht so schnell bei den Stubenfliegen zu sein.
    »Na, wie fühlst du dich?«, fragte mich Melanie, indem sie sich vom Beifahrersitz aus umdrehte.
    Ich streichelte meinem schlafenden Paulinchen das Händchen. »Prima«, sagte ich. Ja, sollte ich der Melanie erzählen, wie es mir wirklich ging? Emil hätte ich es vielleicht erzählt. Aber nicht Melanie, dem Heftchen.
    Emil saß blass und schweigsam auf der anderen Seite vom Kindersitz.
    »Komm doch mit«, wandte sich Melanie an ihn. »Wir feiern noch. Da geht echt die Post ab!«
    »Ja«, sagte ich matt. »Geh mit, Emil. Du musst auch mal unter junge Leute!«
    Aber so sehr Melanie und ich uns auch bemühten: Emil wollte nicht. Mir war alles egal.
    Wir klappten gemeinsam den Kinderwagen auf und trugen das schlafende Baby und die Utensilien des Tages die schmale, gewundene Holztreppe hinauf.
    Unten an der kleinen Bar saß niemand mehr. Die Rezeption war auch geschlossen. Es war trostlos und öde.
    »Gehst du sofort ins Bett?«, fragte ich den blassen Emil.
    Er zuckte die Schultern. Auf seinen knabenhaften Wangen sprossen Bartstoppeln. Ich streichelte einmal kurz mit dem Handrücken darüber.
    »Dann mach’s mal gut«, sagte ich. »Und schlaf schön.«
    Dann trollte ich mich in mein schmuckloses, enges Zimmer.
    Auf dem Radiowecker lag eine hübsche Staubschicht. Man konnte mit dem Finger darin herummalen. Eine mittelgroße Spinne kam aus dem Badezimmer gekrabbelt, ganz so, als wollte sie sagen: »Bad ist frei.« Ich machte das Licht aus.
    Gegen sechs Uhr konnte ich es im Bett nicht mehr aushalten. Längst hatten sich wieder die Burschen von der Müllabfuhr unten auf dem Parkplatz versammelt, um ihre Brotzeit zu halten. Autotüren klappten, Motoren liefen heiß, es knatterte und stank. Ich sprang fluchend aus dem Bett und schloss das Fenster. Daraufhin stob die Stubenfliege aus der staubigen Gardine und begann emsig zu summen. Die Spinne hatte sich zurückgezogen. Ich fühlte mich einsam. So ein verdammter Mist, dachte ich, jetzt kann ich hier noch nicht mal das Paulinchen stillen. Die wird vergiftet in dieser Luft.
    Ich wollte meine Morgengymnastik machen, meinetwegen auch ohne Wolldecke, einfach so, auf dem siffigen, fleckigen Teppichboden, Hauptsache, ich tat irgendetwas und hörte auf zu

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