Der General des Varus (HISTORYA) (German Edition)
Richtung des Aufstandes reiten, aber wenn wir von dort zurück kehren, dann nehme ich dich mit!“
Eine Gänsehaut jagte über Junas Körper, als über den Aufstand sprach. Niemand würde überleben, dafür würden ihr Vater und seine verbündeten Stammesfürsten sorgen. Marcus würde niemals zurück kehren. Er war dem Tode geweiht, wenn sie ihn gehen ließ.
„ Nein“, flüsterte sie. „Kehre nicht zurück zu Varus. Verlass die Legion.“
„ Ich bin ein General, ich muss meine Männern anführen. Zu desertieren ist außerdem unehrenhaft und gegen das Gesetz.“ Er richtete sich auf und begann sich anzukleiden.
„ Das Gewitter ist vorüber gezogen. Ich muss wieder zurück zu meiner Truppe. Aber Juna...“ Er beugte sich zu ihr und nah ihre Hände „du hast mein Herz gestohlen und wenn du mit mir zusammen sein willst, dann erwarte mich bei Sonnenaufgang auf dem Hügel östlich von hier. Weißt du, wo dieser ist?“
„ Man kann ihn von Hof meines Vaters sehen“, murmelte sie. „Aber bitte, geh nicht!“
„ Ich muss es.“
„ Nein!“
„ Doch. Es ist meine Pflicht.“
„ Du wirst sterben!“
Marcus sah sie lange an, dann schüttelte er den Kopf.
„ Nein. Ich komme wieder. Ich komme wieder zurück zu dir. Halte nach mir Ausschau am morgen des vierten Tages.“ Er stand auf und schnürte seine Sandalen.
„ Marcus, bitte...“ Tränen stiegen in ihre Augen.
„ So wie du ehrenhaft handelst, indem du dein Volk nicht verrätst, so handle ich ehrenhaft, weil ich meine Männer nicht führungslos im Stich lasse. Das verstehst du doch?“
„ Ich will es nicht verstehen!“, erwiderte sie und dann lief ihr doch eine Träne seitlich die Wange hinunter.
Marcus beugte sich ein letztes Mal zu ihr hinab und küsste sie zärtlich.
„ Bei Sonnenaufgang in vier Tagen. Ich werde auf dich warten.“
Und dann ohne sich noch ein Mal umzudrehen verließ er die Hütte und sie hörte, wie er sein Pferd losband. Juna ließ sich zurück auf die Decken fallen und konnte plötzlich konnte sie nicht mehr aufhören zu weinen. Sie hatte den einzigen Mann, der ihr Herz und ihren Körper zugleich zum Klingen gebracht hatte in den sicheren Tod reiten lassen.
Am Abend des dritten Tages überbrachte ein Bote die Kunde von dem vernichtenden Sieg über die drei Legionen des Varus. Es gab kaum Überlebende und ihr Anführer, der große Varus, hatte sich in sein Schwert gestürzt. Juna biss sich auf die Lippe, bis es blutete, dann stürzte sie aus dem großen Saal, in dem der Bote von alles Seiten bejubelt wurde. Sie rannte bis in ihr Zimmer und starrte mit leeren Blick, auf die gepackte Tasche, die dort auf ihrem Lager wartete. Sie würde sie nicht mehr brauchen. Marcus war tot. Er war einer ihrer Anführer und ganz sicher hatte er gekämpft bis zum Schluss. Juna setzte sich neben die Tasche und ihr Mund war ganz trocken. Es war ihre Schuld. Sie hatte ihn gehen lassen.
Und nun war er tot.
Sie legte eine Hand auf die Tasche, streichelte darüber und verbrachte den Rest der Nacht damit, ziellos vor die grobe Wand vor sich zu starren.
Als der Morgen sich näherte, streckte sie ihre steif gewordenen Glieder. Sie versuchte, sich einzureden, dass es sinnlos war, nach ihm Ausschau zu halten, denn laut dem Boten hatte es nur eine Handvoll Überlebender gegeben. Mühsam drückte sie sich von den Decken hoch und streckte sich. Sie fühlte sich innerlich wie ein ausgehöhlte, leere Nuss. Nie wieder würde sie für einen Mann etwas empfinden können, denn sie würde in jedem Antlitz nach seinem Gesicht suchen. Und nun hatte sie ihn viel zu früh verloren. Juna griff nach der Tasche und schlich aus dem Haus. Kopfschüttelnd verließ sie den umzäunten Bereich und blieb dann stehen um ihren Kopf in Richtung des Hügels. Noch lag die Dämmerung über den Wiesen und dichter Nebel waberte über das Grün. Juna seufzte und schimpfte sich eine dumme Träumerin. Selbst wenn er den Aufstand überlebt hatte, so würde Marcus doch niemals zu einer Frau zurück kehren, die ihn in den sicheren Tod geschickt hatte. Ihr Herz begann zu rasen, als ein einzelner Sonnenstrahl am grauen Himmel erschien. Sie hob die Hand über die Augen und spähte Richtung Hügel.
Dann plötzlich brach die Sonne durch die Wolken und der Nebel lüftete sich. Juna kniff ungläubig die Augen zusammen.
Dort oben auf dem Hügel erschienen die schemenhaften Umrisse eines Reiters neben seinem Pferd. Juna glaubte immer noch zu träumen. Das konnte nicht sein.
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