Der General des Varus (HISTORYA) (German Edition)
sah auch nicht so aus, als wolle er sie vergewaltigen, töten oder verschleppen. Er war fast so etwas wie ein "netter Todfeind", fand sie.
"Ich heiße Marcus", sagte er. "Marcus Salvius Apollus, General der dritten Legion unter dem Befehl des Publius Varus und auf dem Weg zu einem angeblichen Aufstand eines germanischen Stammes nördlich des Teutoburger Waldes."
"Und was machst du dann so weit weg von deiner Legion, Marcus Apollus?"
Ihre überaus scharfsichtig gestellte Frage schien ihn zu überraschen. Offenbar hatte er alle Germanen über einen Kamm geschert und sie für barbarisch und dumm erklärt. Nun war es Juna, die ein klein wenig von oben herab lächelte. Soweit das überhaupt möglich war, denn er überragte sie um fast eine Kopfeslänge.
Dem General des Varus hingegen schien ihr Blick zu gefallen. Er legte den Kopf schief und für den Bruchteil einer Sekunde blitzte in seinen Augen ein begehrlicher Funke auf. Dann hatte er sich wieder im Griff.
"Dein Name, Germanin", sagte er. "Und zu welchen Stamm gehörst du? Gehört er zu dem Bündnis der Cherusker?"
Juna kombinierte messerscharf.
"Du glaubst, ich gehöre zu den Aufständischen?"
Wieder sah er sie eine Weile ernst an, dann schaute er auf den Boden zu seinen Füßen.
"Eigentlich glaube ich, es gibt gar keinen Aufstand."
Junas Miene wurde zu einer starren Maske. Wie konnte der Römer wissen, dass die Meldung über aufständische Germanen nur ein Vorwand war, um den verhassten Varus in die den Tiefen des Teutoburger Waldes in einen Hinterhalt zu locken?
"Ich weiß nichts darüber", sagte sie nüchtern. Doch die Wahrheit sah ganz anders aus. Natürlich wusste Juna, dass Varus und seine Legionen dem Tode geweiht waren. Der Anführer der germanischen Bündnisstämme, ein charismatischer Cherusker namens Arminius, hatte das Vertrauen der Römer gewonnen, ja sogar das römische Bürgerrecht erhalten und nun führte er sie alle in den sicheren Tod. Junas Vater, selbst ein Stammesfürst, stand in gutem Kontakt zu Arminius, der im Lager des Varus weilte und so immer bestens über die Pläne der Römer informiert war. Varus, der eigentlich mit seinen Truppen in sein Winterlager hatte aufbrechen wollen, hatte von Arminius über einen Aufstand erzählt bekommen. Da er dem Cherusker blind vertraute, wagte er sich in das unwirkliche, schwer zugängliche Gelände vor. Ebenso wie Junas Stamm warteten die Germanen nun, dass die Römer so tief in den Wald vordrangen, dass sie mit ihren Pferden und Kriegsmaschinen kaum mehr voran kommen würden. Und dann würden die verbündeten Stämme zuschlagen. Der Ort für den Hinterhalt lag gut einen halben Tagesmarsch entfernt und Juna kannte die Stelle sogar.
Sie sah den gutaussehenden Römer an und plötzlich wurde ihr klar, dass sie eigentlich mit einem Toten sprach. Den Hinterhalt würde niemand überleben, dafür würden Arminius und die verbündeten Stämme sorgen.
Sie bemerkte nicht den heimlichen Blick, den er ihr zuwarf, als das Wechselbad ihrer Gefühle so deutlich auf ihrem Gesicht zu beobachten war.
Juna sah auf die muskulösen Arme, die unter den kurzen Ärmeln der Toga hervorschauten, wanderte dann einen flachen Bauch hinab bis zu kräftigen Beinen, deren Füße in denen für die Römer typischen ledernen Sandalen steckten.
Eigentlich war es schade, dass er sterben würde, denn er war wirklich ansehnlich.
"Du bist keine einfache Bäuerin", sagte er in die misstrauische Stille, die schwer zwischen ihnen lastete.
"Wie kommst du darauf?", fragte Juna, überrascht, dass er sich so für sie zu interessieren schien.
"Der Stoff deines Gewands ist von guter Qualität, dicht gewebt und warm und so wie es aussieht, hast du auch noch ein paar wollene Unterröcke darunter. Du trägst Stiefel aus Leder und nicht einfach nur Tücher, die du dir um die Füße wickelst, wie es die Bauern tun. Du scheinst dich jeden morgen zu waschen, denn da ist kein Dreck in deinem Gesicht, deine Fingernägel sind sauber, dein Haar gekämmt und gepflegt. Du scheinst gut ernährt, denn obwohl du schlank bist, siehst du kräftig und gesund aus." Zuletzt deutete er auf ihre Hand. "Und dann wäre da noch die Sichel, die aus purem Gold ist."
Junas Haltung wurde lauernd, denn es irritierte sie, dass er sie offenbar so genau durchschaut hatte.
"Und diese Erkenntnis bringt dich nun weiter, Römer?"
"Nun, wenn du aus einer wohlhabenden Familie stammst, vielleicht sogar der Fürstenfamilie des Stammes, der hier siedelt, so ist es höchst
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