Der General und das Mädchen
Cordhose, dazu ein dunkelbraunes Jackett über einem blaukarierten Holzfällerhemd. Er hatte einen spärlichen Haarkranz ganz kurzer grauer Haare um den Kopf. Vielleicht war er siebzig Jahre alt, vielleicht erst sechzig, es war nicht mehr zu erkennen. Seine Oberlippe war im Tod sehr häßlich bis unter die Nase gezogen, das Zahnfleisch war schneeweiß, eine einzige, verkrampfte Maske. Die Kugel hatte ihn in die Stirn getroffen.
Krümel mochte nicht nahe an ihn herangehen, und ich versuchte sie zu beruhigen.
Der Mann hatte die abgearbeiteten Hände eines Bauern oder eines Waldarbeiters mit breiten schmutzigen Fingernägeln. Er trug schwarze, knöchelhohe, sauber geputzte Arbeitsschuhe.
»Heilige Scheiße!« sagte ich laut. Ich habe keine Ahnung, wie lange ein Toter tot ist. Das Blut um das Einschußloch war vollkommen trocken, tiefschwarz. Als ich mich über ihn beugte, um zu fotografieren, flogen eine Unmenge großer Fliegen auf.
»Wir müssen jetzt rennen«, sagte ich, »wir müssen diesen Polizisten Böhmert noch erwischen.«
Wir rannten also. Ich nahm nicht den Weg, wir rannten quer über die Wiese in den Hochwald und hinunter zu dem Haus.
Krümel wollte gelobt werden, also nahm ich sie beim Wagen hoch, streichelte sie und sagte ihr, sie sei eine gottverdammte blöde Katze, mir zusätzlich zu dem toten General noch eine Leiche zu bescheren.
Ich fuhr nach Kaltenborn, ging in die Telefonzelle und rief die Wache in Adenau an. Sie sagten, Horst Böhmert sei nicht da.
»Können Sie das Gespräch auf sein Auto legen?«
»Sind Sie der Journalist von der vergangenen Nacht?«
»Ja.«
Es dauerte Ewigkeiten. Dann war er plötzlich in der Leitung.
»Ich wollte jetzt wirklich schlafen.«
»Ich würde Ihnen raten, zum Haus des Generals zu kommen.«
»Geht nicht. Ich habe schon Kreislaufstörungen. Wir haben in Kaltenborn einen Vermißten.«
»Ich habe den Vermißten gerade gefunden.«
»Wie bitte?«
»Ein Mann, vielleicht sechzig. Bauer, Waldarbeiter, was weiß ich. Ziemlich klein.«
»Ja, das könnte er sein. Mattes, der Küster. Der ist seit gestern abgängig.«
»Jetzt nicht mehr. Irgendwer hat ihn erschossen. Noch etwas: Ich habe einen Motorradhelm und ein Fernglas gefunden.«
»Ach du Scheiße. Ich komme.«
Ich fuhr zurück und wartete vor dem Haus des Generals. Ich ließ Krümel los, und sie sauste schnurstracks in den Hochwald.
»Mach bloß keinen Blödsinn und entdecke noch etwas!«
Böhmert kam wenig später. Er sah todmüde aus und fragte seufzend: »Glauben Sie, daß Mattes zur selben Zeit gestorben ist wie der General?«
»Ich bin kein Fachmann, aber ich würde darauf wetten. Kommen Sie.«
Wir gingen den Weg hinauf.
»Es ist ziemlich einfach«, sagte er. »Gestern war Mittwoch, und Mattes war auf dem Weg zum General. Das war ein altes Ritual bei den beiden. Wenn der General hier war, kam Mattes am Mittwochabend zwischen acht und neun zum General. Der General trug ihm dann auf, Brot und Wurst und Käse zu kaufen. Mattes bekam immer zwei, drei gute Brasilzigarren. Sie schwatzten eine Weile, dann ging Mattes wieder. Der General mochte ihn.«
»Also muß Mattes den Mörder gesehen haben. Das heißt, daß der Mörder wahrscheinlich aus dem Wald kam, nicht von der Straße her.«
»Das klingt plausibel. Wir wissen nur nicht, ob Mattes vor dem General gestorben ist oder nach ihm.«
»Das wäre mir persönlich scheißegal. Wer war dieser Mattes?«
»Ein Mann ohne Anverwandte, eine Type, wie es sie häufig in den Dörfern gibt. Uneheliches Kind einer Magd, aufgewachsen auf einem Hof, irgendwie durchgeschleppt vom ganzen Dorf. Geistig etwas zurückgeblieben, aber zu allen sehr freundlich. Guter Arbeiter.«
»Seit wann wird er vermißt?«
»Seit heute morgen. Er sollte melken kommen, er kam nicht. Das passiert schon mal, wenn er einen gesoffen hat. Als er mittags noch immer nicht auftauchte, sah jemand nach. Er war nicht da. Schließlich riefen sie uns an, weil sie wegen des Generals sowieso schon verunsichert waren.«
»Wann ist er zuletzt gesehen worden?«
»Gestern abend auf dem Weg zum General. Der Pfarrer machte einen Spaziergang und sah ihn.«
Wir blieben kurz bei dem Fernglas und dem Motorradhelm stehen. Er rührte beides nicht an, er murmelte nur: »Komisch.« Dann kniete er neben Mattes nieder und betrachtete ihn sehr lange. »Er ist bestimmt zur
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