Der General und das Mädchen
betrachteten unser Werk. Mit zurückgelegtem Kopf sagte sie: »Wir haben einiges vergessen. Zum Beispiel die Russen. Die müssen ein Interesse an Otmar gehabt haben.«
»Sehr gut. Schreib es hin. Es könnte ja auch sein, daß irgend jemand den General erschoß, weil er in einer Ecke seines Lebens ganz anders war, als wir ihn kannten. Wir sollten also seine für die Umwelt negativen Eigenschaften sammeln. Er war ironisch, in bezug auf Familie und Kinder aber auch hilflos, arrogant sicher auch.«
Sie malte einen Kreis mit dickem, grünem Filzstift. Sie schrieb die Eigenschaften des Generals, durch die sich jemand gestört gefühlt haben konnte, sorgsam auf. »Und noch etwas: Er verachtete die Anhänger sturer Bürokratie.«
Das Telefon schellte. Es war Böhmert. »Können wir das Treffen sofort machen?«
»Gibt es etwas Neues?«
»Ja. Hier am Haus des Generals haben sich zwei Männer geprügelt.«
»Ja und?«
»Beide gehören Geheimdiensten an.«
»Wir kommen sofort.«
Also duschten wir schnell. Germaine meinte, wir könnten ruhig gemeinsam duschen, da wäre doch nichts bei.
Ich lehnte ab, was sie mit der Bemerkung kommentierte, ich könnte mir doch vorstellen, ich sei ihr Brüderchen, oder vielleicht besser ihr Papi.
»Ich bin nicht dein Brüderchen«, sagte ich wütend im Auto, »und ich bin, verdammt noch mal, bestimmt nicht dein Papi.«
»Wie schön«, seufzte sie und warf mir einen rätselhaften schrägen Blick zu.
Böhmert wohnte am Nordrand von Adenau in einer stillen, beschaulichen Siedlung aus einzeln stehenden kleinen Häuschen mit einem Garten darum. Seine Frau war eine stämmige Schwarzhaarige mit einem sehr weichen Gesicht und den Augen eines Menschen, der genau weiß, daß gegen die galoppierende Karriere des Partners kein Kraut gewachsen ist. Sie hieß uns sehr freundlich willkommen und drückte uns ein Glas Eistee in die Hand. Dann sagte sie wie alle Hausfrauen der Welt: »So, jetzt will ich nicht mehr stören.« Wir baten sie, doch dabeizubleiben.
Es gab ein zehn mal zehn Meter großes Rasenstück, auf das sie einen Tisch und vier weiße Plastiksessel gestellt hatten. Auf dem Tisch stand scharf angemachter, eisgekühlter Camembert mit dunklem Brot.
»Erzählen Sie von der Prügelei«, bat ich den Polizisten.
»Heute morgen um elf ruft der alte Bauer Wirges in der Wache an und sagt, oben am Bruch würden sich zwei Männer prügeln, er könnte das gut durchs Fernglas sehen. Kennen Sie den Bruch?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Im Berg, der genau gegenüber dem Haus vom General liegt, ist voriges Jahr eine ganze Kiefernschonung abgerutscht. Das sieht aus wie eine riesige Narbe. Es ist der einzige Punkt, von dem aus man das Haus einsehen kann. Wir wissen auch, daß alle möglichen Leute das getan haben, aber wir kümmerten uns nie darum, weil wir an die vom Personenschutz dachten. Jetzt aber ließ ich alles stehen und liegen, schnappte mir einen Kollegen und fuhr hin. Wir sind mit Vollgas durch die Waldwege zum Bruch, und als wir um die Bergecke kommen, stehen die zwei Männer da und harken noch immer aufeinander ein. So etwas von blinder Wut habe ich überhaupt noch nie erlebt. Da oben laufen Quellen aus dem Berg, da ist es verdammt matschig. Sie waren verschmiert wie Mumien, und sie merkten nicht einmal, daß wir da standen und ihnen zusahen. Ich hatte nur eine Sorge: Wie kriege ich die in die Wache nach Adenau, ohne mir das Fahrzeug zu versauen?«
»Und wie hast du das gemacht?« fragte seine Frau gespannt.
»Wir haben sie erst einmal getrennt und festgenommen, dann den Berg runtergeschleift auf eine Wiese, auf der eine Viehtränke ist. Da haben wir sie getaucht und abgewaschen. So ging das einigermaßen.«
»Und wie haben die beiden reagiert?«
Er lachte. »Die hätten natürlich nicht mitzukommen brauchen, die Verhaftung war eigentlich kalter Kaffee. Aber selbst Geheimdienstleute sind zuweilen unendlich dumm. Jedenfalls hockten sie in der Wache und wollten nicht einmal ihre Personalien zu Protokoll geben. Sie verlangten beide, ihre Dienststelle anzurufen. Um überhaupt weiterzukommen, erlaubte ich ihnen das. Es stellte sich heraus, daß der ältere von beiden beim Militärischen Abschirmdienst der Bundeswehr ist, und der Jüngere bei der CIA. Der Deutsche gab seinen Namen mit Markus an, nur Markus. Der Ami nannte sich Roosevelt, nix sonst. Ich kriegte dann einen Anruf meiner vorgesetzten
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