Der General und das Mädchen
Washington verschwand und wer es stahl, sonst laufen wir alle Gefahr, daß wir die Recherchen auf einer ganz falschen Annahme gründen. Es kann durchaus sein, daß das Washingtoner Gutachten in diesem ganzen Durcheinander nicht die geringste Rolle spielt.«
»Unmöglich. Der Amerikaner, dieser sympathische John Lennon, war stinksauer, als ich ihn darauf ansprach«, wandte ich ein.
»Dann ist da noch etwas«, sagte er, als habe er mir überhaupt nicht zugehört. »Man müßte herausfinden, ob das Exemplar des Bundeskanzlers noch vorhanden ist und ob das Exemplar des Verteidigungsministers noch existiert. Wenn die nämlich auch verschwunden sein sollten, deutet das auf eine ganz bestimmte Systematik hin. Dann die Frage aller Fragen: Haben die Männer in den Häusern des Generals das gefunden, was sie suchten, oder nicht?«
»Nur wenn sie das, was sie suchten, nicht gefunden haben, aber sichergehen wollten, es zu zerstören, mußten die Häuser zerstört werden«, meinte ich. »Die Spuren der Suche hätten sie sonst einfach als den Vandalismus unbekannter Eindringlinge abgetan.«
»Richtig«, sagte Böhmert. »Es lief zeitlich abgestimmt in beiden Häusern gleichzeitig, und es war der MAD. Aber es wird nicht zu beweisen sein, daß sie nach dem Gutachten gesucht haben.«
»Kennen Sie den Mann, der die Aktion leitete?«
»Ich kenne seinen Arbeitsnamen, Martin. Ich weiß weder, wie er wirklich heißt, noch wie er aussieht.«
Böhmert wirkte ziemlich ratlos. »Es kann sein, daß der MAD den Mord an dem General nur dazu benutzte,- das zu tun, was er immer schon tun wollte: die Häuser des Generals zu untersuchen, um Geheimmaterial zu finden, Beweismaterial gegen den General. Ich habe auch keine Ahnung, ob es irgendeinen Zusammenhang zwischen dem Mord gibt und dem, was die Hyänen vom Geheimdienst suchen.«
Wir schwiegen eine Weile; er hatte recht, es war verdammt wenig, was wir sicher wußten. Germaine sah mich an. »Und das willst du alles recherchieren und dich dabei auch noch verprügeln lassen?«
»Es ist fürs Vaterland«, sagte ich großartig, aber ich wußte, außer Blutergüssen und Platzwunden war erkennbar nichts zu holen.
* Siebtes Kapitel
»Es ist merkwürdig«, meinte Germaine, »seitdem ich mit dir rumziehe, hab ich alle paar Stunden das Gefühl, duschen zu müssen.«
»Die Beschäftigung mit unserer Demokratie erzeugt zuweilen Waschzwänge«, erklärte ich ihr. »Aber bevor du abtauchst, solltest du vielleicht am besten wegen der acht Stunden Zeitunterschied deine Leute in Washington jetzt gleich anrufen, und genauso diese treue Seele namens Seepferdchen in Berlin. Wenn wir nicht bald weiterkommen, können wir aufgeben.«
»Du gibst tatsächlich auf, wenn die zivile Seite nichts hergibt?«
»Ja. Ich bin kein Held. Wenn ich außer Prügel von neurotischen Geheimdienstfritzen nichts ernten kann, dann steige ich aus.«
»Hm«, sagte sie und sah mich mit einem merkwürdigen Ausdruck an.
Als wir auf den Hof fuhren, kam der erste heftige Windstoß. Die große Linde ächzte und sah aus wie eine wildbewegte Wasserfläche, Krümel kam uns entgegen und trauerte offensichtlich ihrem Freund nach. Sie rieb sich jämmerlich maunzend an meinen Beinen. Ich ging mit ihr durch den Garten, wir hockten uns an die große Bruchsteinmauer und konnten durch das Fenster Germaine telefonieren sehen. Sie sprach mit dem ganzen Körper, und sie lachte unentwegt.
Krümel fauchte den Frosch Fritz an, dem ich in Spenderlaune ein Plastikbecken in die Erde gesenkt hatte. Aber Fritz glotzte sie nur ungerührt an und schien sich auf das Gewitter zu freuen, das ihm frisches Wasser bringen würde und möglicherweise ein paar fette Insekten.
»Laß ihn in Ruhe«, sagte ich, »er ist ein Philosoph.«
Die Böen wurden heftiger; schließlich blies ein kräftiger, steter Wind. Vom Süden her, über der Mosel, quollen die Wolken grauschwarz und dunkelblau in den Himmel. Eine Amsel warnte keckernd in der Hecke, zwei verliebte Schwalben flogen die letzten Kapriolen vor dem Regen, und Krümel verdrückte sich in schnellen Sprüngen zu ihrem Kellerfenster. Nur der Frosch und ich blieben hocken und starrten vor uns hin. Die Tropfen fielen senkrecht und waren groß und schwer. Dann wurde der Regen schlagartig dicht und rauschte aus niedrig hängenden Wolken.
Erst als ich bis auf die Haut naß war, ging ich langsam ins Haus. Es war ein gutes Gefühl, so
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