Der General und das Mädchen
Reparatur meiner Brille.
Dann machten wir uns auf nach Trier, weil Germaine sich ein Minikleid kaufen wollte, vor allem aber, weil wir Zeit zum Nachdenken brauchten. Sie kaufte nicht ein Kleid, sie kaufte gleich drei. Ich sah ihr zu, wie sie lustvoll mit dem Hintern wackelnd die Fähnchen anprobierte, so stolz wie alle Väter ihren gut geratenen Töchtern zusehen - und ich denke, daß dieser Vergleich ein bißchen gelogen ist. Gegen Mittag fuhren wir zurück in die Eifeleinsamkeit.
»Wir sollten Carlos Waffe suchen«, meinte sie zufrieden.
»Wir müssen zuerst an Carlos Eltern ran!« bestimmte ich. Es schien, als seien wir ganz selbstverständlich zu einem Team geworden. »Und heute abend müssen wir zu dem Polizisten Böhmert. Und wir sollten herausfinden, an was der General gerade arbeitet.«
Sie murmelte: »Ich weiß auch gar nicht, mit welchen Leuten er zuletzt umging. Das müssen wir auch wissen.«
»Nicht zu vergessen: der Bauer Wirges«, sagte ich.
Sie schwieg eine Weile, lächelte und sagte fast vergnügt: »Das ist richtig viel Arbeit, und es macht Spaß.«
»Ich habe heute nacht an deinen Exmann in Washington gedacht. Würde der helfen?«
»Wenn er riecht, daß ihm das Arbeit oder Schwierigkeiten macht, bestimmt nicht. Wieso?«
»Als das Gutachten verschwand, müssen die Geheimniskrämer verrückt gespielt haben. Wir brauchen einen Geheimdienstmann, der uns davon erzählt.«
»Dazu ist mein Exmann aber nicht flexibel genug. Aber Penelope kann das machen. Sie intrigiert gern, und sie hat jede Menge Kontakte.«
»Wer immer sie ist, ruf sie an. Dann noch etwas: Wir müssen an dieses Seepferdchen in Berlin ran.«
»Würdest du mich mitnehmen?«
»Ruf sie an, mach einen Termin. Und jetzt machen wir uns eine Wand.«
»Eine was?«
»Eine Wand. Du wirst schon sehen.«
»Pyramus und Thisbe?«
»Viel prosaischer. Zeigte der General irgendwann Anzeichen von Verfolgungswahn?«
»Das kann ich mir nicht vorstellen. Wegen dieser komischen Sache mit den Feuerwehrschlauch und der Waffe?«
»Nun, eingebildet hat er sich die Gefahr ja erwiesenermaßen nicht, aber solch eine Vorrichtung erscheint mir doch mehr als sonderbar.«
»Vielleicht war Otmar manchmal zu lange allein«, murmelte sie.
Unten im Talkessel dampfte Daun vor sich hin, und nichts ist so tot wie eine Kleinstadt in brütender Hitze. Krümel kam von der hinteren Ablage und legte sich auf Germaines Schoß. Germaine streichelte sie zärtlich. »Ich hatte als Kind eine kleine, fuchsfarbene Katze. Eines Tages war sie weg. Papa behauptete, sie sei krank gewesen.«
»Und du hast es nicht geglaubt?«
»Nein. Ich denke, ich habe sie mehr geliebt als ihn. Das konnte er nicht ertragen.« Sie hing noch ihren Gedanken nach, als wir in den Hof einbogen.
An der Scheune erwartete der arrogante Stadtkater Knubbel meine schöne Krümel und schlug sich laut maunzend in die Büsche. Sie schlich hinter ihm her, ohne sich im geringsten zu zieren.
»Auf Frauen ist eben kein Verlaß.«
»Das Schlimme ist«, sagte sie sanft, »daß auf Frauen fast immer Verlaß ist. Das macht euch so unsicher.«
Wir nahmen das alte leerstehende Zimmer, von dem ich immer träume, einen Billardtisch hineinzustellen, einen Sessel und eine Lampe, die ein aufgeschlagenes Buch beleuchtet. Wir behängten die ganze Längswand mit braunem Packpapier.
»In das Zentrum male ich einen roten Kreis, das ist der Mord an Otmar Ravenstein. Rechts außen schreiben wir von oben nach unten alle bisher bekannten Beteiligten, also den Polizisten Böhmert, den Bauern Wirges und so weiter. Links außen listen wir alle Institutionen auf, von denen wir wissen, daß sie am lebenden oder toten General interessiert sind, die Staatsanwaltschaft, die CIA, den Bundesnachrichtendienst et cetera. Ganz oben auf der Wand verzeichnen wir alle Ereignisse, die mit Gewalt zu tun haben: Den Mord an dem alten Mattes, an Carlo, die zerstörten Häuser und so weiter. Unten auf die Wand kommen die Rechercheergebnisse, das Gutachten zum Beispiel. Klar?«
»Was ist, wenn dieser John Lennon zum Beispiel etwas mit dem alten Küster Mattes zu tun hat?«
»Dann verbinden wir beide mit einem Strich, an dem steht, wie die Verbindung aussieht.«
»Das wird wie ein Schnittmusterbogen aus einer Frauenzeitung.«
Wir brauchten zwei Stunden, um die Wand komplett zu machen. Dann machten wir eine Pause und
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