Der General und das Mädchen
habe ich einen roten Gartenholunder gesetzt. Geht aber sanft ein, weil er wahrscheinlich in einem Treibhaus unter tropischen Bedingungen erfunden wurde.«
»Hier stirbt der Wald aber nicht.«
»O doch, und wie! Was macht Germaine?«
»Die liegt im Bett und trinkt Kaffee und liest irgend etwas. Die Glocken haben so schön geläutet, und irgendein Nachbar hat ein Holzfeuer, man riecht es.« Sie machte eine Pause. Dann: »Fahren wir gleich zu seinem Haus?«
»Sicherlich. Wir haben jede Menge Zeit.«
»Wieso das auf einmal?«
»Ich höre auf, ich recherchiere nicht mehr.«
»Wissen Sie... eigentlich finde ich das klug. Wenn man den General erschießt und andere, und wenn man Sie verprügelt, dann könnte es ja sein ...«
»Ja, eben«, sagte ich und sah ihr nach, wie sie hastig durch das hohe Gras lief und um die Hausecke verschwand.
Krümel kam von irgendwoher und brachte den Kater Knubbel mit, der mich sehr herablassend betrachtete, sich aber vorsichtshalber in einigen Metern Abstand hielt. »Wenn du versprichst, Krümel anständig zu behandeln und nicht allzu wilde Versprechungen zu machen, werde ich dich auf meinem Grund und Boden dulden«, erklärte ich friedfertig. Er machte nicht den Hauch von Demutsgeste, Kater sind einfach widerliche Tiere. Krümel sonnte sich in seiner Arroganz. Germaine schlenderte in einem meiner Trainingsanzüge um die Ecke. Sie hockte sich an den Birkenstamm und fragte tonlos:
»Stimmt das, gibst du auf? Schmeißt du das Handtuch?«
»Ja.«
»Warum?«
»Es gibt eine Menge Gründe. Erstens ist heute gerade der vierte Tag, und ich wurde bereits zweimal verprügelt. Wenn das so weitergeht, kann ich damit rechnen, ab Dienstag jeden Tag und ab Donnerstag täglich zweimal in die Mangel genommen zu werden. Das hält niemand aus.«
»Das ist doch Scheiße!« kommentierte sie heftig.
»Ich fühle mich auch nicht gut dabei. Aber es gibt einen weiteren Grund. Der alte Mattes und der junge Carlo hatten keine Chance. Wir dürfen nicht die Augen davor verschließen, daß wir dem Mörder zwangsläufig immer näher rücken. Und der würde jeden töten, der ihm in die Quere kommt. Euch, und genausogut mich.«
»Aber dann werden wir nie erfahren, was wirklich geschah.«
»Lebst du denn nicht gern?«
Sie stand auf. »Nein. Im Moment lebe ich nicht gern.« Dann lief sie ins Haus.
Ich folgte ihr langsam und rief Böhmert an. »Ich steige aus«, sagte ich.
»Bei soviel Geheimdienst kann ich das verstehen«, sagte er nach einer kurzen Pause. »Ich habe mich noch einmal um die Identifizierung einiger Männer bemüht, die Sie fotografiert haben. Ich kenne jetzt den Namen des Dicken vom MAD. Und ich kenne auch den wirklichen Namen des MAD-Mannes, der die Aktionen in den Häusern leitete.«
»Wie schön für Sie.«
»Sie muß es aber schwer erwischt haben, daß Sie nicht einmal mehr fragen.«
»Ich habe ein Gesicht wie ein alter Mond, und mein Zahnarzt wird allmählich reich.«
»Im Ernst, warum hören Sie auf?«
»Ganz einfach. Ich nähere mich immer mehr dem Mörder. Irgendwann wird er wieder töten, oder?«
»Zweifellos. Wenn Sie trotzdem noch etwas erfahren, rufen Sie mich an. Ganz privat. Tun Sie das?«
»Das mache ich. Und entschuldigen Sie, daß Sie von mir nicht lernen konnten, wie ein Pressefritze arbeitet.«
Einen Augenblick war er still. »Das vielleicht nicht«, meinte er schließlich. »Aber zumindest habe ich gelernt, daß es auch Pressefritzen gibt, deren Arbeit mir gefällt. Machen Sie's gut!«
Germaine kam herein und sagte: »Du brauchst wirklich auf mich keine Rücksicht zu nehmen.«
»Erklär das mal dem Mörder.«
»Sei doch nicht so giftig. Ich kann weggehen, dann hast du mich nicht mehr am Hals.«
»Red keinen Unsinn.«
Isolde kam leise herein, setzte sich auf das Sofa und tat so, als sei sie nicht da.
»Laß mich wenigstens erklären, warum das so schrecklich für mich ist«, sagte Germaine verzweifelt.
»Das kannst du mir erklären, aber meine Entscheidung steht. Und nun sag schon, was daran so schrecklich ist.«
»Es ist nicht primär der Tod von Otmar, es ist auch nicht die Idee der Rache oder so. Aber in meinem Leben war alles halb, verstehst du? Halbe Kindheit, halbe Jugend, halbes Studium, halbe Männer, halbe Ehe. Sogar das, was du das Streunen genannt hast, war nur halb. Dann legst du los, um die Wahrheit zu
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