Der General und das Mädchen
alt zu werden.« Sie lächelte bei der Erinnerung. »Er hat mir kein Wort gesagt, sondern einfach dieses Haus gekauft und mir überschrieben. Die Mieteinnahmen der zwölf Parteien gehen auf sein Konto und sind meine Abzahlung. O Gott! Was wird die Bank jetzt sagen, wo er nicht mehr lebt?«
Ich mußte lachen. »Das wird er alles geregelt haben, er hat Sie bestimmt nicht vergessen. Sie wollten aber eigentlich von seinen Testamentsgeschichten berichten.«
Sie sah auf ihre Knie. »Er war ein lausiger Kaufmann, wissen Sie. Da gibt es in Nürnberg ein Büro, das seine Vermögensangelegenheiten regelt. Wenn der Mann, der das machte, anrief, wurde der General ganz nervös und sagte: Halt mir bloß diesen Geldhai vom Hals! Aber der war der einzige, der wirklich wußte, was mit dem Vermögen los ist. Und so übel war er wirklich nicht. Es nervte den General bloß, daß er immer aufpaßte, daß der General nicht zuviel verschenkte ...«
»Verschenkte?«
»Ja, andauernd spendete er. Amnesty International, Greenpeace, Robin Wood und so weiter. Das mußte sein Geldmann für ihn erledigen, er wollte anonym bleiben. Er selbst konnte mit Geld nicht umgehen, weil es ihn einfach nicht interessierte.« Sie sah mich an. »Hat er eigentlich leiden müssen?« fragte sie abrupt.
»Nein. Mit Sicherheit nein.« Ich dachte an das von Böhmert entworfene Bild: Der General wird getroffen, stirbt nicht sofort, geht weiter nach vorn... »Er war sofort tot.« Eine barmherzige Lüge bringt einen bestimmt nicht in die Hölle. Dann brachte ich sie behutsam zum Thema zurück. »Wie lange haben Sie mit dem General zusammengearbeitet?«
»Achtzehn Jahre.«
»Und wie oft hat er ein Testament gemacht?«
»Acht- oder zehnmal, ich weiß es nicht mehr so genau.«
»Sie sagen, er hat Ihnen das Haus hier gekauft. Germaine sagt, auch sie würde etwas erben. Wer erbt denn sonst so?«
»Er sagte: Ich richte mich nach meinem Bauch. Wenn er einen Menschen traf, den er wirklich mochte, dann wollte er ihm etwas schenken. So wie Germaine eben.«
»Wieviel wird sie erben?«
»Es wird für ihr Leben reichen. Er hat sogar jede Sekretärin, die er wirklich mochte, mit einem Legat bedacht. Mal mehr, mal weniger.«
»Ich muß eine indiskrete Frage stellen: Hatte er etwas mit diesen Frauen?«
»Tja, das dachte jeder, aber es war nicht so. Es stimmt, die Frauen waren hinter ihm her wie der Teufel hinter der armen Seele, aber mit Geld hatte das nie zu tun. Und er hat ja auch bittere Erfahrungen machen müssen. Ich weiß zum Beispiel, daß seine Tochter ihn zweimal oder dreimal mit einem Baby richtig betrogen hat. Sie rief an und jubelte: Papi, ich erwarte ein Kind! Er freute sich riesig. Haben Sie im Eifelhaus den Babystuhl gesehen? Den hat er selbst gemacht, für dieses Kind, das nie kam. Die Tochter ist, wenn ich das einmal so sagen darf, ein neurotisches Balg, sonst nichts. Der Sohn ist noch schlimmer. Der nahm die deutsche Staatsbürgerschaft an, weil er bei der Bundeswehr schneller Karriere machen konnte. Und er hörte seinem Vater immer genau zu, wenn der über die Friedensaufgaben des neuen Soldaten sprach. Einmal sagte er zu mir, da war er ziemlich betrunken: Durch meinen Vater erfahre ich am schnellsten, wie meine Gegner denken! Das habe ich damals dem General gesagt. Das hat ihn furchtbar getroffen.«
»Hat er seine Kinder enterbt?«
»Das hat er versucht. Aber sein Geldmann sagte, das ginge nicht. Dann haben sie in tagelanger Arbeit herausgefunden, wie er den Kindern wenigstens möglichst wenig hinterlassen muß.«
»Und? Wie haben die reagiert?«
»Sie haben Gift und Galle gespuckt. Es gab eine furchtbare Szene, bei der dieser schreckliche Sohn Sachen gesagt hat, an die ich nicht einmal mehr denken möchte.«
»Und wie hat der General reagiert?«
»Es war schlimm für ihn«, sagte sie einfach. Sie wollte nicht mehr über ihren geliebten General sprechen. Sie hatte endlich verstanden, daß er niemals mehr auftauchen würde, und wollte mit ihrer Trauer allein sein. Sie murmelte: »Ich lege mich ein bißchen hin.«
Ich hockte da in dieser wunderschönen Berliner Altbauwohnung und dachte an den Menschensammler Otmar Ravenstein. Und ich trauerte um ihn, als sei er ein Freund gewesen. Dann hielt ich es nicht mehr aus in der Wohnung und fuhr zum Bahnhof Zoo. Ich schlenderte auf dem Kurfürstendamm herum, ich wollte jetzt unter Menschen sein. Am Fuß des großen Brunnens
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