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Der General und das Mädchen

Der General und das Mädchen

Titel: Der General und das Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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zwischen Gedächtniskirche und Europa-Center erwischte ich einen freien Stuhl und bestellte mir ein Eis.
      Die Stadt badete in der Sonne, und es gab Scharen von fröhlichen Leuten, die Schlange standen, um ihre Füße in das Wasser zu halten. Bald zog es mich nach Spandau zurück; es ging mir so, wie es Griesgramen immer geht: Diese fröhlichen Geschöpfe gingen mir auf die Nerven.
      Neben dem Eingang von Seepferdchens Haus lag eine Toreinfahrt, die in einen jener Hinterhöfe führte, wie es sie so wohl nur in Berlin gibt. Es roch verblüffend nach Natur, und ich ging neugierig hindurch. Es gab einen niedrigen Anbau mit acht Garagentoren, und mitten in dem noch mit Katzenkopfpflaster gehaltenen Hof ein kleines erhöhtes Erdrondell mit einer alten, mächtig verzweigten Linde, die in drei Metern Höhe mit drei schweren Eisenbändern zusammengehalten werden mußte, weil irgend etwas sie gespalten hatte. Jemand hatte um den Stamm Kapuzinerkresse gesetzt, die ihren Dschungel mit feuerroten und gelben Blüten beleuchtete. Bienen taumelten und Wespen schwirrten. Fast fühlte ich mich zu Hause.
      »Hallo, Macker!« sagte jemand hinter mir mit großer Lässigkeit. »Hast du mal 'ne Fluppe für mich?«
      »Ich rauche keine Zigaretten«, sagte ich und fuhr herum.
      Er war dürr und baumlang; er trug ganz enge schwarze Hosen, die unten in Fallschirmspringerstiefeln endeten, und ein T-Shirt, wie Panzerfahrer es tragen oder solche, die gern Panzer fahren würden. Er war blond, mit einem etwas verpickelten Gesicht, das mir spontan den Eindruck vermittelte, er sei ständig zu kurz gekommen. Die Haare waren stoppelig und ragten steil in die Höhe. Er war die Inkarnation des häßlichen Halbstarken, der sich möglichst beschissen benimmt, um sein Erwachsensein zu unterstreichen.
      »So'n Pech«, sagte er wegwerfend. Dann grinste er breit. Seine Zähne waren schlecht und bestimmt ungeputzt. Er sagte sehr dicht vor mir: »Schöne Grüße aus Bonn soll ich bestellen!« und schlug gleichzeitig mit beiden Händen zu. Er traf mich beidseitig in der Taille. Weil ich sofort keine Luft mehr bekam, knickte ich japsend nach vorn, und er erwischte mich mit dem Knie schrecklich im Gesicht. In meinem Kopf explodierte rot und grell der Schmerz, und ehe ich aufschlug, hörte ich ihn »Na siehste!« schnaufen.
      Ich fiel nicht einmal in eine gnädige Ohnmacht. Ich kniete nur da, konnte den Kopf nicht wenden, mich auch nicht auf den Rücken legen. Ich starrte auf das Katzenkopfpflaster zu meinen Füßen und sah zu, wie das Blut aus meiner Nase ein fast schwarzes Rinnsal bildete. Ich weiß nicht, wie lange ich so verharrte.
      Irgendwann hörte ich Schritte. Bitte, nur nicht noch mal, dachte ich. Beine, stämmige Beine in Jeans tauchten in meinem Blickfeld auf; ein Mann sagte gutmütig: »Na, komm man hoch, Alter. Ick soll dir zu Isolde bringen.« Ich bemühte mich aufzustehen, und als das nicht gelang, griff er mir unter die Arme und meinte: »Irjendwie kriejen wa dir schon hoch.«
      Ich erinnere mich nicht an Einzelheiten, ich weiß nur noch, daß Isolde erschreckt sagte: »Erst mal aufs Sofa!« Dann lief sie hinaus, kam wieder und meinte besorgt: »Ich weiß ja nicht genau, was war, aber hier sind ein paar Aspirin mit Vitaminen.« Sie stupste mir das Glas an die Lippen, und ich bemühte mich, soviel wie möglich von der Brühe in mich reinzukriegen. Dann wusch sie mir das Gesicht mit einem kalten Lappen. Ich kam mir vor wie ein hilfloses Kind.
      Im Flüsterton fragte sie: »Geht es denn etwas besser?«
      Vorsichtig öffnete ich die Augen.
      Vor den Fenstern war noch immer Tag. »Es geht«, sagte ich. »Ich war ein Trottel. Ich hätte wissen müssen, daß sie Ihr Haus und mich überwachen. Ich werde wahrscheinlich nie klug.«
      »Klugheit kommt mit der Zeit«, meinte sie freundlich.
      »Dann ist meine Zeit aber noch nicht gekommen. Ist Germaine jetzt endlich da? Wir müssen heim.«
      »Nein, aber sie hat angerufen, daß sie gleich kommt.«
      »Wenigstens etwas. Können Sie einen Eisbeutel machen?«
      »Na sicher. Und ich habe auch Salbe. Wenn wir die jetzt auftragen, gibt es nicht so viele blaue Flecken.«
      »Die Schönheit ist noch mein geringstes Problem. Aber ich hätte gern noch etwas Aspirin und einen dünnen schwarzen Tee, bitte.«
      »Was ist denn nun wirklich passiert?« fragte sie.
      »Irgendeiner hat mich verprügeln lassen, weil ich mich um den Tod des Generals kümmere«, sagte

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