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Der General von Dorsai

Der General von Dorsai

Titel: Der General von Dorsai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon R. Dickson
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hatte. Aber bei genauerer Betrachtung stellte sich heraus, daß er nun von etwas kräftigerer Statur war – und sogar ein bißchen größer. Doch diese Gewichtszunahme – so gering sie auch war – hatte nicht ausgereicht, seine klaren und markanten Gesichtszüge zu glätten. Sie waren eher noch ausgeprägter und traten nun noch deutlicher hervor. Seine Augen schienen jetzt ein wenig tiefer zu liegen. Und die Angewohnheit, Befehle zu erteilen – bis zu dem Ausmaß, da das ganz unbewußt geschah –, hüllte seine Brauen mit einem unsichtbaren Schatten ein. Donal war nun zu einer Erscheinung geworden, der sich andere Männer ohne zu zögern unterordneten.
    „Nun?“ fragte er, als Ian neben ihn trat.
    „Sie haben Neuerde in der Hand“, antwortete sein Onkel und reichte ihm das Nachrichtenband. „Von Galt. Privat und vertraulich.“
    Donal nahm das Band automatisch entgegen. Sofort erwachte der tiefer in ihm verwurzelte und verborgenere Teil seines Selbst und drängte alles andere beiseite. Wenn die sechs vergangenen Jahre zu Veränderungen an seinem Erscheinungsbild und seinen Verhaltensweisen geführt hatten, so war dieser Wandel in seinem Innern noch viel tiefgreifender. Sechs Jahre Befehlsgewalt, sechs Jahre voll von Lagebeurteilungen und Entscheidungen – das hatte einen Kanal geschaffen zwischen der bewußten Oberfläche seines Ichs und jenen dunklen Meerestiefen in ihm, den grundlosen Fluten, die an alle bekannten und auch an die noch nicht erforschten Küsten seines Wesens brandeten. Er hatte zwar keinen Frieden mit der Quelle seiner Seltsamkeit geschlossen, aber einen Waffenstillstand. Er achtete sehr darauf, sie vor anderen zu verbergen, akzeptierte sie aber um des Werkzeugs willen, das sie ihm in die Hand gab. Und die Information, die ihm Ian gerade gebracht hatte, war wie eine Bö, die das dunkle Meer in ihm aufwühlte. Eine wogende Vibration, die sich ausbreitete und alles erfaßte, all die Dinge, die in gegenseitiger Wechselbeziehung zueinander standen. Und sie erhellte das gewaltige und sonst im Dunkeln liegende Labyrinth aus Ursache und Wirkung, das kosmische Ballett aus Handlungen, die wiederum ihre Reaktionen hervorriefen. Und sie machte ihm klar, daß auch er handeln mußte.
    Als Protektor von Prokyon war er nicht nur für die Verteidigung der Exotischen Welten verantwortlich, sondern auch für die der beiden kleineren bewohnten Planeten in diesem Sonnensystem: Santa Maria und Coby. Und man erwartete von ihm, daß er etwas unternahm. Aber er empfand es darüber hinaus auch als persönliche Herausforderung. Die Konsequenz dieser Nachricht stellte also nichts dar, dem er auszuweichen gedachte. Im Gegenteil: Sie war willkommen, kam gerade zum richtigen Zeitpunkt. Sie war sogar fast zu vollkommen – auch wenn der Zufall hier seine Hand mit im Spiel hatte.
    „Ich verstehe …“, murmelte er. Dann hob er den Kopf und sah seinen Onkel an. „Galt wird Hilfe brauchen. Würdest du für mich einige Unterlagen über verfügbare Truppenstärken zusammenstellen, Ian?“
    Ian nickte und ging so kühl und soldatisch unbewegt, wie er hereingekommen war, hinaus.
     
    Donal öffnete die Kapsel des Nachrichtenbandes nicht sofort, nachdem er wieder allein war. Er konnte sich nicht erinnern, worüber er nachgegrübelt hatte, als Ian hereingekommen war, doch der Anblick seines Onkels hatte eine neue Gedankenkette in ihm ausgelöst. Ian schien es jetzt gut zu gehen – oder zumindest so gut, wie man es den Umständen entsprechend erwarten konnte. Es spielte keine Rolle, daß er ein einsames Leben führte, kaum mit den anderen, ihm gleichgestellten Kommandeuren verkehrte und es sogar ablehnte, nach Dorsai zu fliegen und seiner Familie einen kurzen Besuch abzustatten. Er widmete sich ganz seiner Pflicht, die Kampftruppen auszubilden – und diese Aufgabe erledigte er vorzüglich. Abgesehen davon ging er seinen eigenen Weg.
    Die Psychiater hatten Donal mit vorsichtigen und höflichen Formulierungen erklärt, daß von Ian mehr auch nicht zu erwarten war. Einen normalen Verstand, der erkrankt war, konnten sie heilen. Unglücklicherweise jedoch war Ian nicht normal – zumindest soweit es die Fixierung auf seinen Zwillingsbruder betroffen hatte. Nichts in diesem Universum konnte den Teil seines Wesens ersetzen, der zusammen mit Kensie den Tod gefunden hatte – der tatsächlich Kensie gewesen war. Denn die besondere psychologische Strukturierung der beiden Zwillinge hatte sie zu zwei Hälften eines Ganzen

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