Der Geruch von Blut Thriller
Fäusten geballt und hält sie vor die Brust. Howie hat die Hände um Finns Kehle gelegt und hebt ihn langsam in die Luft. Um Finn herum wird es allmählich dunkel.
In seinem Kampfsportkurs ging es vor allem um Beintechniken, wie man den Gegner zum Stolpern bringt und wie man richtig fällt. Finn ist nicht sicher, ob irgendetwas davon hier funktioniert, aber er zieht den Fuß hoch und tritt Howie mit voller Wucht gegen sein dünnes Knie.
»He«, ruft Ray, »hab ich nicht gesagt, du sollst nicht treten?«
Während Finn gurgelnd versucht, Howie ein zweites Mal die Hacke ins Knie zu stoßen, verzieht der auf einmal das Gesicht und dreht den Kopf weg. Er lässt Finn vorsichtig runter, tritt einen Schritt zurück und reibt sich die Brandnarbe über dem Auge. Hustend schnappt Finn nach Luft.
Aus einem Gefühl der Verbundenheit streckt Finn die Hand aus, aber Howie taumelt schon in Richtung Umkleideraum. Wie von irgendwelchen Visionen und Erinnerungen geblendet, stolpert er blind über die Matten. Er stürzt beinahe, stößt mit der Schulter gegen die Wand und folgt ihr schließlich bis zur Umkleide, wo ihn der dunkle Eingang verschluckt.
Finn sieht ihn nie wieder.
Ray besinnt sich und lässt von Dani ab, er sieht zu Finn rüber und sagt: »Wenn du mein Partner sein willst, muss das aber besser laufen. Immerhin liegt dann mein Leben in deinen Händen. Glaubst du, nach der Nummer habe ich noch Vertrauen zu dir?«
Ein paar Sekunden vergehen, in denen alles möglich ist.
Finn könnte keine Luft mehr bekommen, seine Luftröhre könnte zerquetscht sein. Danielle könnte einfach weglaufen, den Sicherheitsdienst rufen und etwas mit dem Quarterback anfangen. Ein Tiefflieger, von weitem zu hören, könnte im Sturzflug runterkommen und durchs Dach krachen. Howies Zorn könnte das Fundament der Schule zum Einsturz bringen und sie alle verschlingen.
Ein leichter Wind kommt durch die offene Tür und spielt mit Danis Haarband.
Sie geht auf Finn zu. Ray zuckt zusammen. Er hebt die Hand, wie um sie zurückzuholen.
Finn zieht sich der Magen zusammen. All die albernen Gedichte, die er je geschrieben hat, erklingen in seinen Ohren.
Sie legt ihm die Hand auf die Wange und fragt: »Bist du verletzt?«
In diesem Moment, als sie sich zum ersten Mal berühren, hat Finn eine seltsame Vorahnung. Eine innere Stimme sagt ihm, dass er ein guter Polizist sein und ein wenig Gerechtigkeit in seinen kleinen Teil der Welt bringen wird. Danielle und er werden in Long Island leben, unten am Meer, und er wird dort angeln lernen. Sie haben einen Hund namens Portnoy. Eine Katze, die sie Blue nennt und er Boo. Sie werden zwei Kinder haben,
Adrian und Madison. Er wird seine zwanzig Jahre abreißen und etwas bewirken. Sein Leben wird einen Sinn haben. Sie werden in den Süden nach North Carolina an die Küste ziehen, wo die Enkel sie besuchen können. Er wird alt und von den Seinen geliebt sterben, mit einem Kreis glühender, feuchter Gesichter um sein Bett versammelt.
Er grinst sie an. Sein Kinn blutet. Der süße Schmerz der Verliebten brennt in ihm, als er sagt: »Ich bin Finn, die Liebe deines Lebens.«
F inn hört seine eigene Stimme flüstern: »… deines Lebens …«
Er will etwas antworten. Ohne es zu merken ist er weitergelaufen und wird von einer immer dicker werdenden Schicht Schnee bedeckt.
In den Armen hält er ein Gewicht von ungefähr fünfzig Kilo. Langes, eisverkrustetes Haar schlägt ihm ins Gesicht und brennt ihm auf der Nase und den Wangen.
Er würde sich hüten, jemand anzurühren, der vielleicht schwer verletzt ist, aber er muss sie aus dem Schneesturm bringen. Auf seiner Brust breitet sich ein warmer feuchter Fleck aus, dort, wo das Blut von ihrem Hinterkopf sickert. Sie hat wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung und ist womöglich unterkühlt, ihr Atem geht zumindest unregelmäßig. In ihrer Kleidung haben sich Zweige verfangen, als sei sie durchs tiefste Unterholz gelaufen.
Der Pfad schneit schnell zu, und Finn hat Mühe, ihm zu folgen. Es gibt nichts, an das er sich halten könnte. Er taumelt und merkt erst, dass er vom Weg abgekommen ist, als es leicht bergauf geht. Schon bald nimmt er den Unterschied nicht mehr wahr.
Er hat kein Handy. Die Menschen, mit denen er zu tun hat, befinden sich in einem Umkreis von hundert Metern, und das so gut wie immer. Niemand muss ihn so dringend erreichen, außerdem befürchtet er, von so einem Gerät abhängig zu werden. Vielleicht würde er dann mitten in der Nacht Judith oder
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