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Der Geruch von Blut Thriller

Titel: Der Geruch von Blut Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Piccirilli
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für mich ist es von entscheidender Bedeutung.« Sie hat Schmerzen beim Sprechen und muss sich konzentrieren, so dass die Worte weicher werden. »Es heißt doch, Blinde haben gute Ohren. Sie können mich doch gut hören, blinder Mann?«
    »Ja. Kannst du laufen?«
    »Wenn Sie mich hinstellen, und ich mich an Ihrer Schulter festhalten darf, kann ich es ja mal versuchen.«
    Er lässt sie vorsichtig runter. »Wie heißt du?«
    »Harley Moon.«
    »Moon?«
    Sie schnalzt mit der Zunge. »Hab ich doch gesagt.«
    »Wie auf den Grabsteinen?«
    »Der Friedhof ist voll mit meinen Verwandten. So wie die meisten Löcher hier in der Gegend.«
    Wenn er manchmal auf seiner Veranda sitzt und der Wind richtig steht, kann er hören, wie jemand zwischen den verfallenen Grabsteinen herumwandert. Ein paarmal hat er gerufen, aber nie eine Antwort bekommen. »Besuchst du sie oft?«
    »Wollen Sie darüber jetzt mit mir sprechen?«
    »Ich frage nur.«
    »Die brauchen mich nicht, und ich sie auch nicht. Was schleichen Sie da überhaupt herum?«

    »Ich wohne in der Nähe.«
    »Das weiß ich. Aber es beantwortet nicht meine Frage.«
    Er hört das Windspiel auf der Veranda klingeln. Es sind Bambusröhrchen mit asiatischen Symbolen. Sie schlagen mit einem dumpfen Klacken gegeneinander. Nicht besonders musikalisch, aber anders als die klingelnden Dinger aus Metall vor den Eingängen der drei Schulgebäude. Roz hat sie aufgehängt, kurz nachdem sie nach St. Val’s kamen. Es war eine gute Idee, aber aus irgendeinem Grund nimmt Finn ihr das übel. Immer wenn jemand etwas gut meint, ist er genervt davon.
    »Hören Sie mir zu, blinder Mann?«
    »Was?«
    »Ich habe gesagt …«
    »Schaffst du es bis zur Schule?«
    »Nein, nicht dahin.«
    »Warum nicht?«
    »Nicht dahin, bitte.«
    Sie klingt ängstlich. Jemand hat sie geschlagen. Es gibt Schlimmeres als ein bisschen Schnee. Jemand muss sich um sie kümmern. Roz sollte eigentlich inzwischen zurück sein. »Wir haben eine Krankenschwester. Sie kann dir helfen.«
    »Ich habe doch gesagt, ich kann nicht ins Hotel.«
    Er weiß, dass die Leute aus dem Tal die Schule immer noch Hotel nennen. Sie ist seit vierzig Jahren kein Hotel mehr, aber in einer Kleinstadt haben die Leute ein hartnäckiges Gedächtnis. »Und warum nicht?«
    »Ich bin da nicht sicher. Früher oder später werden sie kommen.«
    »Wer?«
    »Sie stellen ganz schön viele naive Fragen.«

    »Das Gefühl habe ich auch allmählich.«
    Als sie den Mund zumacht, hört er ein leises Knacken. Er sieht die Tennessee-Schönheitskönigin, wie sie ihn mit glänzenden Lippen angrinst und mit ihm flirtet, sich dann aber doch wieder abwendet. Als er sie fragte, worum es bei der Blueberry-Day-Parade ginge, antwortete sie, um Blaubeeren natürlich.
    Das Windspiel wird lauter. Der Pfad führt zu dem Fußweg vor seinem Cottage, den Murphy schon einmal freigeschaufelt hat. Finn stolpert kurz, als seine Füße auf den Zement treffen.
    Harley hält ihn am Arm fest. »Hier wohnen Sie?«
    »Ja.«
    »Wo man Sie von jedem Hotelfenster aus sehen kann? Haben Sie keine Angst, dass die Sie abends beobachten?«
    »Wer?«
    Die dünnen Schultern zucken in einer viel zu großen Jacke. »Irgendjemand.«
    »Komm rein. Ich rufe jemanden an.«
    Sie folgt Finn ins Haus. Nach der Geschichte mit Vi sollte er eigentlich vorsichtiger sein. Stattdessen nimmt er schon wieder ein minderjähriges Mädchen mit in die Wohnung, aber was zum Teufel soll er machen? Als er nach dem Hörer greift, packt Harley ihn am Handgelenk. Für ein so kleines Mädchen hat sie einen extrem harten Griff. Sie gibt ihm einen Klaps auf die Knöchel, eine bestimmende und erniedrigende Geste.
    Er geht ins Bad und holt ein Handtuch, Verbandszeug und Wasserstoffperoxid. Sie schnappt sich das Handtuch und wischt ihm das Gesicht ab, bevor sie sich mit
schnellen, ruppigen Bewegungen die Haare trockenrubbelt. Er hält ihr das Verbandszeug und das Wasserstoffperoxid hin, aber sie ignoriert es, bis er schließlich beides auf den Küchentisch legt.
    »Ganz schön einsam hier bei Ihnen«, sagt sie.
    »Wie kommst du darauf?«
    »Sie haben keine Bilder an der Wand. Sie sollten ein paar aufhängen, wenigstens für Ihren Besuch.«
    Daran hat er noch nie gedacht. Sie hat Recht. Er stellt sich vor, wie leer ein Haus ohne Bilder aussieht. Roz hat nie etwas dazu gesagt. Er denkt an Rays Wohnung. Lange Holzdielen, jede Menge hübsche Möbel, topmoderne Stereo- und Heimkinoanlage, aber weder Fotos noch Bilder an den Wänden. Die

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