Der Gesamtprozess der kapitalistischen Produktion
austauschen mögen, das ist ihr Wert, und damit holla. Der Wert ist also identisch mit dem Preis, und jede Ware hat so viel Werte, als sie Preise erzielen kann. Und der Preis wird bestimmt durch Nachfrage und Angebot, und wer noch weiter fragt, der ist ein Narr, wenn er auf Antwort wartet.
Die Sache hat aber doch einen kleinen Haken. Im Normalzustand decken sich Nachfrage und Angebot. Teilen wir also sämtliche in der Welt vorhandne Waren in zwei Hälften, in die Gruppe der Nachfrage und die gleich große des Angebots. Nehmen wir an, jede repräsentiere einen Preis von 1000 Milliarden Mark, Franken, Pfund Sterling oder was immer. Das macht zusammen nach Adam Riese einen Preis oder Wert von 2000 Milliarden. Unsinn, absurd, sagt Herr Loria. Die beiden Gruppen mögen zusammen einen Preis von 2000 Milliarden repräsentieren. Aber mit dem Wert ist das anders. Sagen wir Preis, so sind 1000 + 1000 = 2000. Sagen wir aber Wert, so sind 1000 + 1000 = 0. Wenigstens in diesem Fall, wo es sich um die Gesamtheit der Waren handelt. Denn hier ist die Ware eines jeden von beiden nur 1000 Milliarden wert, weil jeder von beiden diese Summe für die Ware des andern geben will und kann. Vereinigen wir aber die Gesamtheit der Waren beider in der Hand eines dritten, so hat der erste keinen Wert mehr in der Hand, der andre auch nicht und der dritte erst recht nicht – am End hat keiner nix. Und wir bewundern abermals die Überlegenheit, womit unser südländischer Cagliostro den Wertbegriff dermaßen vermöbelt hat, daß aber auch nicht die geringste Spur mehr von ihm übriggeblieben ist. Es ist dies die Vollendung der Vulgärökonomie! 155
In Brauns »Archiv für soziale Gesetzgebung«, VII, Heft 4, gibt Werner Sombart eine in ihrer Gesamtheit vortreffliche Darstellung der Umrisse des Marxschen Systems. Es ist das erstemal, daß ein deutscher Universitätsprofessor es fertigbringt, im ganzen und großen in Marx' Schriften das zu sehn, was Marx wirklich gesagt hat, daß er erklärt, die Kritik des Marxschen Systems könne nicht in einer Widerlegung bestehn – »mit der mag sich der politische Streber befassen« –, sondern nur in einer Weiterentwicklung. Auch Sombart, wie sich versteht, beschäftigt sich mit unsrem Thema. Er untersucht die Frage, welche Bedeutung der Wert im Marxschen System hat, und kommt zu folgenden Resultaten: Der Wert tritt in dem Austauschverhältnis der kapitalistisch produzierten Waren nicht in die Erscheinung; er lebt nicht im Bewußtsein der kapitalistischen Produktionsagenten; er ist keine empirische, sondern eine gedankliche, eine logische Tatsache; der Wertbegriff in materieller Bestimmtheit bei Marx ist nichts andres als der ökonomische Ausdruck für die Tatsache der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit als Grundlage des wirtschaftlichen Daseins; das Wertgesetz beherrscht die wirtschaftlichen Vorgänge in einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung in letzter Instanz und hat für diese Wirtschaftsordnung ganz allgemein den Inhalt: Der Wert der Waren ist die spezifisch historische Form, in der sich die in letzter Instanz alle wirtschaftlichen Vorgänge beherrschende Produktivkraft der Arbeit bestimmend durchsetzt. – Soweit Sombart; es läßt sich gegen diese Auffassung der Bedeutung des Wertgesetzes für die kapitalistische Produktionsform nicht sagen, daß sie unrichtig ist. Wohl aber scheint sie mir zu weit gefaßt, einer engeren, präziseren Fassung fähig; sie erschöpft nach meiner Ansicht keineswegs die ganze Bedeutung des Wertgesetzes für die von diesem Gesetz beherrschten ökonomischen Entwicklungsstufen der Gesellschaft.
In Brauns »Sozialpolitischem Zentralblatt« vom 25. Februar 1895, Nr. 22, findet sich ein ebenfalls vortrefflicher Artikel über den 3. Band des »Kapital« von Conrad Schmidt. Besonders hervorzuheben ist hier der Nachweis, wie die Marxsche Ableitung des Durchschnittsprofits vom Mehrwert zum erstenmal eine Antwort auf die von der bisherigen Ökonomie nicht einmal aufgeworfne Frage gibt, wie denn die Höhe dieser Durchschnittsprofitrate bestimmt werde und wie es komme, daß sie sage 10 oder 15% ist und nicht 50 oder 100%. Seitdem wir wissen, daß der vom industriellen Kapitalisten in erster Hand angeeignete Mehrwert die einzige und ausschließliche Quelle ist, aus der Profit und Grundrente fließen, löst sich diese Frage von selbst. Dieser Teil des Schmidtschen Aufsatzes könnte direkt für Ökonomen à la Loria geschrieben sein, wäre es nicht vergebliche Mühe, denen
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